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Nato im Nahen Osten: Was Donald Trumps Forderung für Europa bedeutet


Nato im Nahen Osten
Was Donald Trumps Forderung für Europa bedeutet

Von Madeleine Janssen

10.01.2020Lesedauer: 4 Min.
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Präsident Donald Trump: Die USA und Iran sind in einen Konflikt verstrickt.Vergrößern des Bildes
Präsident Donald Trump: Die USA und Iran sind in einen scharfen Konflikt verstrickt. (Quelle: getty-images-bilder)

US-Präsident Trump fordert: Die Nato soll sich im Nahen Osten stärker engagieren. Noch stärker? Daran dürfte das Bündnis kein Interesse haben. Doch es gibt andere Optionen, die den Europäern jetzt offen stehen.

Wer sich beim Blick auf den Nahen Osten an einen Scherbenhaufen erinnert fühlt, liegt nicht so falsch. Die USA haben mit der – ziemlich unvermittelt erfolgten – Tötung des iranischen Generals Ghassem Soleimani eine ohnehin schon fragile Situation gefährlich verschärft. Der iranische Gegenschlag auf die beiden US-Stützpunkte im Irak fiel verhältnismäßig harmlos aus, es war wohl vor allem ein Signal. Immerhin waren die Amerikaner gewarnt worden, offiziell gab es keine Toten.

Von echter Entspannung und Deeskalation zu sprechen, wäre aber zu viel. Der Konflikt schwelt weiter. Durch die Sanktionen geht es der iranischen Wirtschaft schlecht. Das nährt das Märtyrerimage des Mullah-Regimes und bringt es nicht zum Einknicken. Und aus Washington verlauten bereits die nächsten Ideen, die taugen, um kräftig im Nahen Osten zu zündeln: US-Präsident Donald Trump hat die Nato aufgefordert, sich stärker in der Region zu engagieren. Einen Namen für das erweiterte Bündnis hat er Nato-Generalsekretär Jens Stoltenberg auch schon vorgeschlagen: Nato-ME, für Nato-Middle East.

Das bisherige Nato-Level reicht Trump nicht mehr

Der Vorschlag zielt darauf ab, die amerikanischen Aktivitäten im Nahen Osten – also den Kampf gegen den "Islamischen Staat" und die Einhegung der iranischen Macht – stärker auf eine internationale Grundlage zu stellen. Zwar sind Nato-Soldaten bereits im Irak vertreten und schulen irakische Militärs gegen den IS. Auch in Afghanistan betreibt die Nato Stützpunkte. Sie trainiert die Streitkräfte in Cyberabwehr und vermittelt demokratische Grundlagen. Die Idee, sich als Nato im Nahen Osten zu engagieren, ist nicht neu. Doch das bisherige Level reicht Trump nicht mehr. Stoltenberg hat ihm signalisiert: Da gibt es Spielraum, die Nato kann im Nahen Osten noch mehr tun.

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Aus geopolitischer Sicht birgt Trumps Vorstoß große Risiken. Russland ist einer der größten Player in der Region. In Syrien kämpft es an der Seite von Baschar al-Assad gegen die Rebellen. In Ländern wie Ägypten, Jordanien und Tunesien baut es russische Medien sowie Wissenschafts- und Kulturzentren auf, mit dem dezidierten Ziel, die Präsenz Russlands in der Region zu stärken. Russland etabliert sich dort. Das kann man zur Kenntnis nehmen, man kann es kritisch beäugen oder verurteilen.

Aber warum, könnte man fragen, sollte man einer angespannten Situation zusätzliche Spannung zufügen, indem man zwei militärische Kontrahenten wie Russland und die Nato im Nahen Osten direkt aufeinanderprallen lässt? Ohne jegliche politische Verständigung? Denn wenn man Trumps Worte richtig deutet, soll es sich bei der Stärkung der Nato um den militärischen Bereich und nicht um die diplomatische Abteilung handeln. Absprachen mit den politischen Kräften in der Region scheinen für Trump zweitrangig zu sein, zumal die Nato nicht direkt mit Russland verhandelt.

Was das soll, das dürften sich auch Außenminister Heiko Maas (SPD), Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) und Russlands Präsident Wladimir Putin fragen, wenn sie sich am Samstag in Moskau treffen. Zum ersten Mal seit Frühjahr 2018 besucht Merkel Putin wieder. Die vielen aktuellen Konfliktherde, darunter der Bürgerkrieg in Libyen, der Krieg in Syrien und die Lage in der Ostukraine, werden Thema zwischen beiden sein. Vielleicht tauschen sie sich auch über Trumps Nato-Hoffnungen aus.

In Washington fehlt es an Ideen

Aus Trumps Sicht ist die Sache klar. Mit der Nato als engagiertem Partner im Nahen Osten könnte er auf Unterstützung in künftigen Konflikten spekulieren. Käme es erneut zu einer Eskalation mit dem Iran, könnte die US-Strategie sein, den Verteidigungsfall nach Artikel 5 des Nordatlantikvertrags auszurufen – auch wenn die USA im Alleingang zur Verschärfung der Lage beigetragen haben, so wie augenscheinlich im Fall des getöteten Soleimani. Die Nato-Partner müssten den USA laut diesem Plan beispringen. Ob sie das bedingungslos täten, steht allerdings auf einem anderen Blatt.

Mehr Stabilität im historischen Pulverfass Naher Osten zu erreichen, liegt zwar im Interesse der meisten westlichen Politstrategen, auch bei der Nato. Aber so würde es nicht funktionieren. Darauf zu setzen, dass auf eine Eskalation die nächste militärische Antwort folgt, offenbart vor allem eines: In Washington fehlt es an Ideen, welche politischen Lösungen es für den Nahen Osten gibt.

Darin liegen Chancen für die Europäer. In Brüssel ist Diplomatie das Mittel der Wahl. Dem Atomabkommen mit dem Iran etwa waren jahrelange Verhandlungen vorausgegangen. Dass der Vertrag schließlich zustande kam, war auch das Verdienst der Europäer. Auch jetzt, nachdem die USA schon längst und der Iran nun seinerseits aus dem Abkommen ausgestiegen sind, wollen sie es nicht verloren geben.

Das zeigt: Die Europäer kämpfen beharrlich, und zwar mit friedlichen Mitteln. Sie bieten wirtschaftliche Anreize, sie lockern Einreisebestimmungen, sie mahnen und kontrollieren. Die USA liefern ihnen mit ihrem Verhalten im Nahen Osten neue Möglichkeiten, wie sie sich auf ihre Weise einbringen können. Denn unter Trump verabschieden sich die USA von ihrer altbekannten Rolle: Die stabilisierende Ordnungsmacht hat sich in einen erratischen Polterer verwandelt. Auch von der Zwei-Staaten-Lösung für Israel und Palästina hat Trump sich längst abgewandt. Dass er jetzt den hochrangigen Funktionär eines anderen Landes in einem Drittstaat ermorden lässt, ist völkerrechtlich fragwürdig.

Trump macht also Fehler. Die militärische Unterstützung der USA hat die Bündnispartner bis zuletzt darüber hinwegsehen lassen. Doch selbst der Irak, der besagte Drittstaat und bisheriger Partner der USA, will Washington nun im Weltsicherheitsrat verurteilen. Die Europäer könnten nun neue Allianzen schmieden – eher als EU, weniger als Nato. Tatsächlich könnte das Atomabkommen mit dem Iran in anderer Form weiterleben, etwa gemeinsam mit Russland und China. Die Volksrepublik müht sich durch ihr Projekt "Neue Seidenstraße", im Nahen und Mittleren Osten und in Südosteuropa als Geldgeber wahrgenommen zu werden und auf diese Weise an Einfluss zu gewinnen. Europa hätte jetzt die Chance, seinerseits als diplomatischer Player an Profil zuzulegen.

Verwendete Quellen
  • Einschätzung des früheren israelischen Außenministers Ben-Ami zur Rolle Russlands im Nahen Osten
  • Eigene Recherchen
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