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Preisbremse, LNG, Gasbörse: Die Gaspreise fallen – wird jetzt alles gut?


Preisbremse, LNG, Gasbörse
Die Gaspreise fallen – wird jetzt alles gut?

Von Frederike Holewik

Aktualisiert am 20.10.2022Lesedauer: 6 Min.
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Gasflamme: Die Gaspreise sind in den vergangenen Tagen deutlich gefallen. (Quelle: David McNew/Getty Images)

Die Gaspreise sind deutlich gefallen, zudem wird über Preisdeckel und -bremsen verhandelt. t-online erklärt, ob Verbraucher jetzt schon aufatmen können.

Die Gasspeicher sind gut gefüllt, die Bundesregierung arbeitet an einer Preisbremse, die Temperaturen im Oktober sind verhältnismäßig mild: Gleich mehrere Faktoren machen derzeit Hoffnung, dass die Gaskrise Deutschland weniger hart treffen könnte als zunächst vermutet – oder?

Der Energieexperte Malte Küper vom Institut der deutschen Wirtschaft (IW) ist zwar noch skeptisch. "Es ist zu früh für eine Entwarnung", sagt er im Gespräch mit t-online. Die Preise an den europäischen Energiebörsen schwankten weiterhin stark.

Und doch macht sich bei vielen gerade das Gefühl breit: Ganz so schlimm wird es womöglich doch nicht diesen Winter. Ein Überblick über den aktuellen Stand der Gasversorgung, die geplanten Maßnahmen und was die Preise beeinflusst.

1. Die fallenden Gaspreise

Ein Blick auf die aktuellen Gaspreise dürfte bei vielen Menschen für Erstaunen sorgen. So lag der Preis für eine Megawattstunde Dutch TTF-Gas bei 115 Euro für Lieferungen im November. Zur Erinnerung: Im August notierte der Preis noch jenseits der 300 Euro.

Branchenexperten erklären das mit mehreren Faktoren. Zum einen sorgt das europaweit milde Herbstwetter für geringere Nachfrage. Gleichzeitig sind die Speicher mittlerweile in weiten Teilen Europas gut gefüllt. In Deutschland wurde bereits Mitte Oktober das Novemberziel von 95 Prozent Füllung erreicht. Zudem sorgen die maximal möglichen Liefermengen an Flüssiggas (LNG) für Entspannung an den Märkten.

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Hinzu kam unlängst das sogenannte "Machtwort" von Bundeskanzler Olaf Scholz in der AKW-Frage. Dadurch, dass nun geklärt ist, dass alle drei Kernkraftwerke in Deutschland bis Mitte April am Netz bleiben, sind die unruhigen Energiemärkte etwas besänftigt. Die Hoffnung vieler Marktteilnehmer: So muss weniger Gas für die Stromproduktion genutzt werden.

Doch bleibt das so? Das ist noch unklar. Die Preise am Gasmarkt bilden nicht nur ab, wie viel Gas verfügbar ist, sondern auch wie sicher die Bedingungen dieser Versorgung sind.

"Die Futurepreise zeigen, dass es sich noch um keine Trendwende handelt", sagt Energieexperte Küper. "Für Ende des Jahres werden dort etwa 140 Euro pro Megawattstunde aufgerufen. Das ist zwar deutlich weniger als die Höchststände vor einigen Monaten, aber immer noch mehr als das Fünffache der Preise vor dem russischen Einmarsch."

2. Die Gaspreisbremse soll entlasten

Die Bundesregierung hat eine Expertenkommission mit Vertretern aus Verbänden, Gewerkschaften, Wirtschaft und Politik damit beauftragt, Vorschläge zur Entlastung der Gaskunden für die kommenden Monate zu machen. Dabei kam ein zweistufiges Modell heraus.

Demnach soll es im Dezember eine Einmalzahlung in der Höhe von einer Monatsrechnung geben. Im kommenden Jahr sollen dann Gaskontingente mit gedeckelten Preisen für Wirtschaft und Verbraucher eingeführt werden.

Für Privathaushalte soll diese Deckelung ab März für den Gasverbrauch in Höhe von 80 Prozent ihres Verbrauchs in 2021 gelten. Für diesen Anteil an ihrem Gasverbrauch soll der Preis pro Kilowattstunde (kWh) 12 Cent betragen.

Für Industrie-Gaskunden soll es ab Januar 16 Monate lang für 70 Prozent des Vorjahresverbrauchs einen festen und damit gedeckelten Preis von 7 Cent pro Kilowattstunde geben.

Nun liegt es an Bundeskanzler Olaf Scholz und seiner Regierung, ob und wann diese Lösung umgesetzt wird. Der Druck für eine schnelle Entscheidung ist mit Blick auf das Thermometer und die aktuellen Gaspreise hoch. (Alle Details zur Gaspreisbremse finde Sie hier.)

3. Ein EU-Gaspreisdeckel ist weiter möglich

Auf EU-Ebene wird ebenfalls über Entlastungen für Gaskunden diskutiert. Zum einen will die Europäische Kommission die Marktmacht der EU beim Gaskauf stärken, um so bessere Preise zu erzielen.

Dafür sollen gemeinsame Gaskäufe der Mitgliedstaaten teilweise verpflichtend gestaltet werden und der Landesbedarf zentral erfasst werden. Nach dieser Bündelung werden entsprechend der gemeinsamen Nachfrage Angebote von Lieferanten auf dem Weltmarkt eingeholt. Für mindestens 15 Prozent der Füllung ihrer Gasspeicher sollen die EU-Staaten die gemeinsame Einkaufsplattform verpflichtend nutzen.

Ein weiterer Vorschlag: Nicht abgerufene Mittel aus dem EU-Haushalt von bis zu 40 Milliarden Euro könnten zur Notfallhilfe umgewidmet werden, um ärmere Haushalte und kleine und mittlere Unternehmen (KMU) zu unterstützen.

Darüber hinaus steht auch ein Preisdeckel auf Gas zur Debatte. Er ist zwar nicht Teil der neuen Kommissionsvorschläge. Aber von der Leyen betonte die Bereitschaft ihrer Behörde, auch zu einem Gaspreisdeckel Vorschläge auszuarbeiten – wenn die Mitgliedstaaten zustimmen.

Allerdings gibt es noch deutlichen Widerstand, unter anderem aus Deutschland und der Niederlande. Spanien und Portugal hingegen haben bereits einen Preisdeckel eingeführt. (Wie andere europäische Länder das Problem angehen, lesen Sie hier.)

Bundeskanzler Scholz warnt vor einem Preisdeckel: "Ein politisch gesetzter Preisdeckel birgt aber immer das Risiko, dass die Produzenten ihr Gas dann anderswo verkaufen – und wir Europäer am Ende nicht mehr Gas bekommen, sondern weniger", sagte der SPD-Politiker am Donnerstag in einer Regierungserklärung im Bundestag. Es brauche daher Abstimmungen mit anderen Gaskonsumenten wie Japan und Korea, um sich nicht gegenseitig Konkurrenz zu machen.

4. Flüssiggas als Retter im Winter

Der wichtigste Bestandteil, um die deutsche Gasversorgung in diesem Winter zu sichern, ist das Flüssiggas, kurz auch LNG genannt. Aufgrund des günstigen Pipeline-Gases aus Russland war das komprimierte, mit Schiffen gelieferte Gas vor diesem Jahr keine wirtschaftliche Alternative und es gab daher auch keine entsprechende Infrastruktur in Deutschland.

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Um nun auch langfristig die Abhängigkeit von Russland zu beenden, sollen in Deutschland mehrere Anlandeterminals entstehen. Bereits in diesem Winter sollen drei schwimmende Plattformen installiert und genutzt werden. In den kommenden Jahren sollen dann auch feste Terminals hinzukommen. Lesen Sie hier, wie die deutschen LNG-Pläne aussehen.

Allerdings: LNG bleibt zunächst teurer als Pipeline-Gas, was bedeutet, dass die Gaspreise auch in den kommenden Jahren höher ausfallen dürften. Eine aktuelle Ausnahme ist in Spanien zu beobachten. Hier stauen sich derzeit LNG-Schiffe und das Überangebot treibt die Preise nach unten, da die Händler die Schiffe für weitere Fahrten benötigen und entleeren müssen.

"Spanien hat große Kapazitäten zur Anlandung von LNG, aber nicht die entsprechende Infrastruktur, dieses Gas weiterzuleiten", erklärt Experte Küper. Daher können andere europäische Länder kaum davon profitieren. Das zeigt einmal mehr, wie wichtig der Ausbau der Infrastruktur für die Unabhängigkeit von Russland ist.

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Auf dem Weltmarkt hingegen liegen die aktuell niedrigeren Preise vor allem an geringerer Nachfrage aus China aufgrund von hohen Temperaturen und dem lockdownbedingten geringeren Bedarf in der dortigen Wirtschaft. Das wird aber nicht dauerhaft so bleiben und dann könnte es wieder deutlich teurer werden, denn dann trifft erhöhte Nachfrage auf ein begrenztes Angebot.

"2021 waren die weltweiten Exportterminals zu 80 Prozent ausgelastet", so Küper. Damals hat Europa nur wenig LNG bezogen. Die 20 Prozent werden also kaum ausreichen, den Extra-Bedarf zu erfüllen, und somit die Preise wieder steigen.

5. Der Einfluss des Wetters

Ebenfalls nicht zu unterschätzen ist die Rolle des Wetters. Denn an den Temperaturen hängen maßgeblich auch der Energieverbrauch und vor allem die Nutzung von Gas- und Fernwärmeheizungen in Privathaushalten und Büros.

Angesichts der Klimakatastrophe sind Temperaturen von über 27 Grad im Oktober wie zu Beginn der Woche zwar eigentlich alarmierend. Doch in diesem Jahr ist selbst der grüne Wirtschaftsminister Robert Habeck erleichtert, dass die Temperaturen noch mild sind, wie er bei einer Veranstaltung der Arbeitsgemeinschaft Mittelstand sagte. Denn Gas sparen fällt leichter, wenn es ohnehin ohne Heizung warm genug ist.

Eine Prognose der US-amerikanischen Wetterbehörde NOAA geht davon aus, dass der November und Dezember etwas wärmer ausfallen als im Mittel, im Februar hingegen gehen sie von einem kälteren Wert aus als in den Vorjahren. Solche Prognosen sind aber nur bedingt aussagekräftig.

Energiesparen weiter nötig

Bei all dem jedoch gilt: Der Winter ist noch lang. So wie beim Fußball ein Spiel 90 Minuten dauert, endet die Heizperiode in Deutschland erst im April. Bei allem Optimismus für die kommenden Monate muss das Gas also noch bis ins Frühjahr reichen. Dafür sind deutliche Sparanstrengungen nötig, wie eine neue Studie zeigt.

Hatten Bundesnetzagentur und Kabinett bisher von 20 Prozent Einsparungen gesprochen, kommt das Forschungsteam des Ariadne-Projekts vom Potsdam-Institut für Klimafolgenforschung auf einen höheren Wert. "30 Prozent des Gasverbrauchs aus Vorkrisenzeiten müssen runter", sagt Gunnar Luderer, Vize-Leiter des Projekts.

Das sei nötig um die Energieversorgung in der Bundesrepublik zu sichern und bis 2045 Klimaneutralität zu erreichen. Die Wissenschaftler gehen dabei davon aus, dass Deutschland im kommenden Jahr ohne jeglichen Importe aus Russland 600 Terrawattstunden (TWh) Gas zur Verfügung stehen. 2022 waren es noch rund 200 TWh mehr.

IW-Experte Küper rechnet ebenfalls damit, dass weiter Energie gespart werden muss: "Die Lösung der Krise gelingt nur Schritt für Schritt. Auch im kommenden Jahr werden wir weiter Gas sparen und weiterhin hohe Preise zahlen müssen."

Verwendete Quellen
  • Eigene Recherche
  • Gespräch mit Malte Küper (IW)
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