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Kohle, Atom, Gas Woher unsere Energie wirklich kommt


Kohle, Atom, Gas
Woher unsere Energie wirklich kommt

Von Frederike Holewik (Text) und Heike Aßmann (Grafik)

Aktualisiert am 02.08.2022Lesedauer: 4 Min.
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Atomkraftwerk Isar 2 (Archivbild): Nach dem Willen der FDP soll hier länger als geplant Strom erzeugt werden.Vergrößern des Bildes
Das Atomkraftwerk Isar 2 bei München: Nach dem Willen von Union und FDP wird hier länger Strom produziert. (Quelle: Armin Weigel/dpa-bilder)

Die Steinkohle kommt zurück, die Kernkraft könnte länger bleiben: Angesichts der Gaskrise braucht Deutschland einen neuen Energiemix. Wie sieht er aktuell aus?

Deutschland soll loskommen vom Gas. Einst als Brückentechnologie gefeiert, bindet der fossile Energieträger die Bundesrepublik nun an Russland. Um für den Winter Energiesicherheit zu schaffen, müssen deshalb Energieformen herhalten, von denen sich die Bundesregierung eigentlich schon längst verabschiedet hatte: Kohle und Kernkraft.

Bei ersterer steht seit Montag fest: Zunächst wird das Steinkohlekraftwerk Mehrum im niedersächsischen Hohenhameln (Landkreis Peine) zwischen Hannover und Braunschweig reaktiviert. Das teilte die Bundesnetzagentur auf Anfrage der Deutschen Presse-Agentur mit.

Das Kraftwerk war erst Ende 2021 vom Netz gegangen. Dass es nun so schnell zum Revival kommt, liegt an einer Verordnung, die dies seit zwei Wochen wieder erlaubt. Der Stromverkauf aus Reservekraftwerken, die mit Steinkohle und Öl befeuert werden, ist demnach bis Ende April 2023 weiter möglich.

AKW-Weiterbetrieb sorgt für Diskussionen

Grund dafür ist, dass der Bund den Anteil von Gas an der Stromerzeugung auf das absolute Minimum reduzieren will. Im Juni immerhin war Erdgas noch für immerhin 11,2 Prozent der Stromerzeugung verantwortlich.

Noch ist Mehrum nach Angaben der Netzagentur zwar das einzige Kraftwerk, das für die Rückkehr ans Stromnetz angemeldet wurde. Es gilt aber als wahrscheinlich, dass schon bald weitere folgen werden. Denn das Wiederanfahren für mehrere Monate ist für Kraftwerksbetreiber wirtschaftlich interessant, weil die Großhandelspreise für Strom derzeit hoch sind. Zudem ist ausreichend Steinkohle auf dem Weltmarkt vorhanden, die Preise sind relativ stabil.

Doch die Steinkohle allein, so sehen es zumindest viele, wird womöglich nicht reichen, um die Stromproduktion gasfrei zu machen. Heiß diskutiert wird deshalb dieser Tage, die drei verbliebenen Atomkraftwerke in Deutschland, die zum Jahresende geplant abgeschaltet werden sollen, weiterlaufen zu lassen.

Besonders die Union, die unter ihrer Kanzlerin Angela Merkel einst den Atomausstieg beschloss, spricht sich für eine längere Nutzung der Kernkraftwerke aus. Im Jahr 2021 waren die Kernreaktoren noch für rund 14 Prozent der Stromproduktion in Deutschland verantwortlich, wie folgende Grafik zeigt:

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Aktuell ist dieser Wert – auch durch vom Netz genommene Meiler – auf sechs Prozent im ersten Quartal 2022 gesunken. Doch auch innerhalb der Regierung gibt es seitens der FDP Stimmen, die an diesem recht hohen Anteil nichts Schlimmes sehen und angesichts der Gaskrise gern länger am Atomstrom festhalten wollen. Die Grünen, einst als Anti-Atom-Partei angetreten, schließen das derweil kategorisch aus.

"Es bleibt beim Atomausstieg", betonte unlängst die frühere Parteivorsitzende und aktuelle Bundestagsvizepräsidentin Katrin Göring-Eckardt (Grüne) im Interview mit t-online. Auch die derzeitige Chefin der Ökopartei, Ricarda Lang, hält daran fest. Ein Weiterbetrieb sei nicht das richtige Mittel, um die Gasprobleme zu lösen.

Dahinter steht folgende Argumentation: Atomenergie decke vor allem eine Grundlast ab, verstromtes Gas hingegen sei flexibler einsetzbar. Deshalb könne Atomstrom die Versorgungsspitzen nicht auffangen, für die bislang Gas genutzt werde. Die Verfechter halten dagegen, dass jedes bisschen gespartes Gas in aktuellen Situation helfen könne.

Teure Kernkraft?

Gegen den Weiterbetrieb sprechen zudem auch die Kosten, wie Energieexperte Thilo Schaefer vom arbeitgebernahen Institut der deutschen Wirtschaft (IW) erklärt: "Bei Investition sollte immer auch gefragt werden, ob nicht mit der gleichen Menge Geld an anderer Stelle mehr zu erreichen ist." Bei Atomkraft umfassen die Kosten nicht nur die Brennstäbe und den Betrieb der Anlagen, sondern auch die Lagerung des anfallenden nuklearen Mülls.

Bei erneuerbaren Energien gebe es dieses Problem nicht, so Schaefer: "Diese sind allerdings im Vergleich zu Atomenergie sehr schwankungsintensiv."

Strom ist zu 45 Prozent grün

Aktuell drängt die Zeit bei der Suche nach Alternativen zum Gas. In den vergangenen Jahren jedoch zeichnete sich gerade beim Thema Stromproduktion durchaus ein Trend zu mehr erneuerbaren Energien ab. Aktuell machen sie gut 45 Prozent aus, weit mehr als noch vor sieben Jahren, wie folgende Grafik zeigt:

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Dabei jedoch ist wichtig zu wissen: Nicht der gesamte Strom, der in Deutschland verbraucht wird, wird auch hier produziert. Der sogenannte Bruttostromverbrauch lag 2021 bei 565 Terawattstunden. Die Diskrepanz zu den 490 in Deutschland produzierten Terrawattstunden wurde aus anderen Staaten zugekauft – das verschiebt die Anteile im Strommix.

Der deutsche Energiemix

Abseits der reinen Stromproduktion und des -verbrauchs sieht es dagegen anders aus. Schaut man sich den kompletten Energiebedarf und -verbrauch inklusive Heizen und Verkehr genauer an, wird schnell klar: Hier sind die erneuerbaren Energien noch längst nicht so weit, wie sie sein sollten.

Im ersten Quartal 2022 lag ihr Anteil nach Angaben der Arbeitsgemeinschaft Energiebilanzen, einem Verein für Energie-Statistiken, bei gut 18 Prozent. Im Vergleich zum Vorjahr entspricht das zwar einem Plus von 8,6 Prozent. Trotzdem liegen Windkraft & Co. damit nur auf Platz drei, nach Mineralölen (28 Prozent) wie Benzin, Diesel und Heizöl sowie Gas (32 Prozent). Beide Energieträger sind vielseitiger einsetzbar, etwa zur Fortbewegung im Auto – oder zum Heizen.

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Gas zu ersetzen, ist und bleibt also ein Kraftakt – auch und vor allem jenseits der Stromproduktion. Die Abhängigkeit von Russland wird Deutschland noch lange zu schaffen machen.

Verwendete Quellen
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