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Energiepolitik: Der Kohleausstieg wird teuer, riskant und schwierig


Energiepolitik
Der Kohleausstieg wird teuer, riskant und schwierig

MeinungEine Kolumne von Ursula Weidenfeld

Aktualisiert am 29.01.2019Lesedauer: 3 Min.
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Braunkohlekraftwerk Boxberg in der Lausitz: Was passiert mit der Branche nach dem Kohleausstieg?Vergrößern des Bildes
Braunkohlekraftwerk Boxberg in der Lausitz: Was passiert mit der Branche nach dem Kohleausstieg? (Quelle: CHROMORANGE/imago-images-bilder)

Der Ausbau erneuerbarer Energien, Investitionen in betroffene Regionen – die Kohlekommission hat Bund und Ländern verschiedene Maßnahmen zum Kohleausstieg empfohlen. Die anstehenden Probleme sind aber längst nicht gelöst.

An trüben kalten Wintertagen schlägt die große Stunde der Kohle. Am vergangenen Freitag, 25. Januar, war das so: eine lange, frostige Nacht, keine Sonne am Tag, wenig Wind, dazu legten tief hängende Wolken Windräder und Sonnenpanele in Deutschland lahm. Mehr als die Hälfte des verbrauchten Stroms wurde an diesem Tag in den Braun- und Steinkohlekraftwerken produziert, die nach dem Willen der Bundesregierung jetzt vom Netz gehen sollen. Den Rest besorgten größtenteils Atom- und Gaskraftwerke.

In der "kalten Dunkelflaute" wird das ganze Dilemma der deutschen Energiepolitik sichtbar. Der jetzt geplante Kohleausstieg wird für den Verbraucher teuer, für die Versorgungssicherheit riskant, für das Klima ungewiss und für die betroffenen Regionen schwierig. Daran werden auch die warm formulierten Hoffnungen der vergangenen Tage wenig ändern.

Strompreise schon jetzt auf Rekordhoch

Die deutschen Strompreise sind weltweit spektakulär hoch, in Europa zahlen die Verbraucher nirgends so viel wie hier. Jetzt kommen noch einmal vierzig Milliarden Euro für die betroffenen Regionen obendrauf, dazu Entschädigungen für die Unternehmen, Neubaukosten für Gaskraftwerke, Infrastrukturinvestitionen. Auch wenn das am Ende nicht über den Strompreis, sondern von Steuergeld bezahlt werden sollte, wird die Belastung der Bürger durch die Energiewende noch einmal deutlich steigen.

Damit das Licht auch an deprimierenden Januartagen nicht ausgeht, die Häuser warm bleiben und die Unternehmen produzieren können, müssen Voraussetzungen erfüllt werden, die bisher nur auf dem Papier existieren. Höchstspannungsleitungen müssen vom Norden in den Süden der Republik geplant, finanziert und gebaut werden. Sonst kommt der erneuerbare Strom aus Nord- und Ostdeutschland nicht in den bevölkerungsreichen und wirtschaftlich erfolgreichen Süden.

Von fehlenden Leitungen und Klimazielen

Leider ist bisher nur ein kleiner Teil dieser Leitungen gebaut. Zudem müssen Energiespeicher her, die die Energie wochen- und monatelang vorhalten – schließlich soll irgendwann die Energie, die im windreichen Herbst geerntet wird, auch den Januar und Februar erleuchten können. Dumm nur, dass es die Technologie dazu noch nicht gibt.

Bis es soweit ist, müssen also neue Gaskraftwerke gebaut werden. Oder Deutschland kann in den kalten Monaten Strom in Polen und Frankreich kaufen. Ärgerlich an diesem Weg ist, dass die Polen ihre Energie weiterhin vor allem in Kohlekraftwerken produzieren wollen, und dass die Franzosen die klimaneutrale, aber in Deutschland unbeliebte Atomkraft immer noch für eine gute Sache halten. Insgesamt würde so zwar der Klimabilanz der Bundesrepublik geholfen, dem Klima aber nur bedingt. Denn es hilft ja niemanden, wenn die in Deutschland gesparten Klimagase woanders zusätzlich ausgestoßen werden müssen.

Herausforderung Energiewende

Es gibt also eine Menge Probleme. Sie können gelöst werden, im Idealfall helfen dabei sogar die 40 Milliarden Euro, die in den kommenden Jahren vor allem nach Sachsen, Sachsen-Anhalt, Brandenburg und Nordrhein-Westfalen fließen sollen. Vielleicht haben die Wirtschaftsförderer in den vergangenen dreißig Jahren seit der Wiedervereinigung tatsächlich dazugelernt. Vielleicht wissen sie heute, wie eine staatlich geförderte Investitions- und Industriepolitik in Krisengebieten tatsächlich zu einer florierenden neuen Wirtschaftsstruktur beitragen kann.

Die bisherigen Ergebnisse aktiver Industriepolitik sind ernüchternd. Die Entwicklung der ostdeutschen Wirtschaft, der Sanierungsbemühungen im Ruhrgebiet und im Saarland zeigen, dass der Staat normalerweise nicht die erfolgreichsten Ideen zu dem Thema hat.

Was mit den Kohlebeschäftigten passiert

Einer Illusion sollte sich niemand hingeben: Nicht die bisherigen Kohle- und Kraftwerksarbeiter werden die neuen Herausforderungen der Energiewende bewältigen. Ingenieure und Physiker, Unternehmer, Fachleute für Speichertechnik werden gesucht, um diese Aufgabe zu berechnen, Innovationen marktreif zu machen, Patente zu entwickeln. Es ist nicht einmal sicher, ob diese Experten am Ende aus Deutschland kommen werden. Wahrscheinlicher ist, dass sie heute schon irgendwo im Silicon Valley oder in China arbeiten – und da bleiben wollen.

Der Lausitz wird das nicht helfen. Die heutigen Beschäftigten werden zwar noch gut mit Aufräum- und Rückbauarbeiten beschäftigt sein. Eine nächste Generation aber wird es nicht geben. Werden neue Bundesbehörden angesiedelt, finden vielleicht die Kinder der früheren Kohlebeschäftigten hier Arbeit. Wahrscheinlicher ist, dass die neuen Beschäftigten lieber in Leipzig, Dresden oder Berlin wohnen und zum Arbeiten einpendeln. So, wie es die Behördenchefs auch machen werden.

Ein solches Ergebnis aber hätte man auch auf einem einfacheren Weg erreichen können.

Ursula Weidenfeld ist Wirtschaftsjournalistin in Berlin. Ihr Buch heißt: "Regierung ohne Volk. Warum unser politisches System nicht mehr funktioniert" und ist bei Rowohlt Berlin erschienen.

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