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Bundesregierung: Lindner & Habeck brauchen Hilfe – kein kompetenter Nachwuchs?


Neue Bundesregierung
Die Zauberlehrlinge

MeinungEine Kolumne von Ursula Weidenfeld

Aktualisiert am 01.12.2021Lesedauer: 3 Min.
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Robert Habeck und Christian Linder (Fotomontage): Die künftigen Wirtschafts- und Finanzminister sollten sich gute Leute in ihre Häuser holen, rät Kolumnistin Ursula Weidenfeld.Vergrößern des Bildes
Robert Habeck und Christian Linder (Fotomontage): Die künftigen Wirtschafts- und Finanzminister sollten sich gute Leute in ihre Häuser holen, rät Kolumnistin Ursula Weidenfeld. (Quelle: imago-images-bilder)

Christian Lindner und Robert Habeck sollen die wichtigsten Ministerien in der neuen Bundesregierung übernehmen. Sie werden viel Hilfe beim Regieren brauchen.

Ist es schlimm, wenn man nur wenig Ahnung von dem hat, was man in den kommenden vier Jahren machen will? Bei einem normalen Berufsanfänger würde man das natürlich verneinen. Man würde darauf hinweisen, dass sich der Kandidat schnell einarbeiten und dann einen wertvollen Beitrag leisten werde. Bei Ministern in einer Regierung ist das anders.

Sie sind Führungskräfte, sie müssen sofort auf der Höhe der Zeit sein. Deshalb bringen sie normalerweise kundige Staatssekretäre, vertraute Büroleiter und kluge Berater mit, wenn sie ihr neues Büro beziehen. Der künftige Finanzminister Christian Lindner von der FDP sowie der Wirtschafts- und Klimaminister Robert Habeck von den Grünen werden sie alle brauchen. Die beiden Herren haben ein Problem: Sie haben zu wenige davon.

Scholz hat einen Erfahrungsvorsprung

Beide sind ihrem künftigen Chef Olaf Scholz (SPD) zwar an Witz, Redegewandtheit und öffentlicher Wirkung überlegen. Doch Scholz hat Erfahrung als Bundesminister, kennt sich auf der internationalen Bühne aus, zählt den ein oder anderen Ministerkollegen in Europa zu seinen Freunden.

Es ist kein Geheimnis, dass Christian Lindner sich für Finanz- und Steuerpolitik bisher eher am Rande interessiert hat. Der Chef der Liberalen musste erst einmal ans Steuerrad kommen, Wahlen gewinnen, die Koalitionsverhandlungen führen, das Ministerium ergattern.

Da bleibt nicht genug Zeit, um sich in die Feinheiten der Vermögensbesteuerung einzuarbeiten, für die künftigen internationalen Verhandlungen ausreichend Englisch zu lernen, oder die Bedingungen für funktionierende öffentlich-privat finanzierte Projekte zu studieren.

Dafür braucht Lindner nun einen Stab (außer für das Englische, das muss er selbst lernen). Doch das Finanzministerium wurde in den vergangenen Jahrzehnten von Sozial- und Christdemokraten geführt, das Haus steht bis hinunter in die Unterabteilungen der FDP ähnlich fern wie der Linkspartei.

Lindner sollte auf einen bekannten SPDler setzen

Deshalb ist es nicht unwahrscheinlich, dass Haushaltsstaatssekretär Werner Gatzer (SPD) erst einmal bleiben darf – wie schon bei den vorherigen Wechseln an der Spitze des Amtes. Als Wolfgang Schäuble (CDU) im Jahr 2009 Finanzminister wurde, behielt er Gatzer auch – es kennt sich halt niemand so genau im Haushalt aus wie der Spitzenbeamte.

Für Lindner könnte der Sozi zur Lebensversicherung werden: Denn der Minister muss schon in den nächsten Wochen einen Nachtragshaushalt vorlegen, um die geplanten Klimamilliarden finanzieren zu können. Außerdem kann er sich schon einmal auf eine Verfassungsklage der Opposition vorbereiten, die in Karlsruhe prüfen lassen will, ob die nicht verbrauchten Corona-Pandemie-Milliarden einfach umgewidmet und für andere Ziele verwendet werden dürfen, wie die neue Koalition das plant.

Eigentlich müsste Lindner schon am Nikolaustag zum Finanzministerrat nach Brüssel reisen. Dort wird über Geld geredet, das Europa für die wirtschaftliche Erholung nach der Pandemie braucht. Da Lindner an diesem Tag aber möglicherweise gerade erst seine Ernennungsurkunde bekommt, kann er diesen Termin ausnahmsweise schwänzen. Nach Weihnachten aber wird es ernst.

Kompetenter grüner Nachwuchs ist knapp

Der künftige Wirtschaftsminister Robert Habeck hat es etwas besser. Habeck hat schon einmal eine Behörde geführt, er war schon einmal Landwirtschafts- und Energieminister. Zwar nur im kleinen Schleswig-Holstein, doch immerhin. Außerdem verfügen die Grünen über eine ganze Truppe eigener Staatssekretärs-Kandidaten, die die Partei seit Jahren als Klimalobbyisten beraten.

Schwieriger wird es für ihn bei den wirtschaftspolitischen Themen: Wie steht die neue Bundesregierung zur Industriepolitik? Wie kann sie die Rahmenbedingungen für den Umbau der Wirtschaft zur Klimaneutralität so gestalten, dass die Firmen das auch überleben? Welche Rolle kann Europa noch spielen, wenn die großen wirtschaftspolitischen Diskussionen künftig zwischen den USA und China ausgetragen werden?

Auch Habeck wird viel Rat brauchen, wenn er es richtig machen will. Doch das Bundeswirtschaftsministerium hat noch nie einen grünen Minister als Chef gesehen, wohlgesonnener und kompetenter Nachwuchs im eigenen Haus ist knapp.

Wenn die beiden Minister dem Schicksal des Zauberlehrlings entkommen wollen, der den Besen zur Reinigung des Hauses in Bewegung setzen, ihn aber nicht mehr stoppen kann, müssen sie auch Spitzenpersonal ohne oder mit dem falschen Parteibuch rekrutieren. Ihren eigenen Leuten wird das nicht passen. Für die Politik aber wäre es gut.

Ursula Weidenfeld ist Wirtschaftsjournalistin in Berlin. Ihr neues Buch heißt:

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