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Teuerungswelle: Eine Steuer für Ölkonzerne? FDP gerät unter Druck


Teuerungswelle
Eine Steuer für Ölkonzerne? FDP gerät unter Druck


Aktualisiert am 10.06.2022Lesedauer: 4 Min.
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Mineralölunternehmen zählen zu den Profiteuren des Ukraine-Krieges. Finanzminister Christian Lindner hält von einer Steuer auf Übergewinne trotzdem nichts.Vergrößern des Bildes
Mineralölunternehmen zählen zu den Profiteuren des Ukraine-Krieges. Finanzminister Christian Lindner hält von einer Steuer auf Übergewinne trotzdem nichts. (Quelle: Florian Gaertner/photothek./imago-images-bilder)

Wer von Krisen und Krieg profitiert, soll dafür zahlen. Im Fokus: Die Mineralölkonzerne nach den ersten Tagen des Tankrabatts. Bremen geht am Freitag mit einer Bundesratsinitiative voran.

Die Freude über den Tankrabatt währte bei vielen Autofahrern nur kurz. Schon wenige Tage nach seiner Einführung steigen die Preise an den Zapfsäulen wieder.

Für viele Autofahrer sind die Schuldigen schnell gefunden: die Mineralölkonzerne und Energieunternehmen, die derzeit stark von den gestiegenen Preisen bei Sprit und Öl profitieren. In der Ampelkoalition ist deshalb nun eine Diskussion darüber entbrannt, ob eine sogenannte Übergewinnsteuer eingeführt werden soll. Bremen bringt am Freitag eine entsprechende Initiative im Bundesrat ein.

Politiker von Grünen und SPD sprechen sich dafür aus, die FDP ist dagegen. t-online erklärt, was damit gemeint ist, wie eine solche Steuer aussehen könnte – und wie andere Länder mit der Lage umgehen.

Was sind überhaupt "Übergewinne"?

Als Übergewinn wird der Einnahmenüberschuss bezeichnet, der über den Normalgewinn eines Unternehmens hinausgeht. Der Normalgewinn ist dabei jener Betrag, den ein Unternehmen in vergleichbaren Zeiträumen ohne zusätzliche Vor- und Nachteile durch Ausnahmesituationen erwirtschaftet.

In der Regel wird dabei auch berücksichtigt, wie hoch die Renditen in diesen Normalzeiten ausfielen. Jeder Euro, der diese Summe übersteigt, ist dann der Übergewinn. Allerdings ist die genaue Definition im konkreten Fall umstritten (siehe unten).

Wie könnte die Steuer aussehen?

Das steht noch nicht genau fest. Bremen allerdings hat bereits eine entsprechende Initiative gestartet. Das Bundesland will am 10. Juni einen Antrag in den Bundesrat einbringen, der vorsieht, Übergewinne von Konzernen in Krisen- und Kriegszeiten mit einer einmaligen Sonderabgabe zu belegen.

Es soll sich dabei nicht um eine Strafsteuer handeln. Der wissenschaftliche Dienst des Bundestages nennt die Übergewinnsteuer "ein Instrument zur Deckung eines außergewöhnlich hohen öffentlichen Finanzbedarfs in Krisen- und Kriegszeiten".

Der Bremer Bürgermeister Andreas Bovenschulte verteidigte seinen Vorstoß am Freitagmorgen in der ARD: "Die Europäische Kommission hat gesagt, wir beziehen erst mal eine Übergewinnsteuer auf den Energiesektor, und ich würde auch empfehlen, damit anzufangen, weil da das Problem am drängendsten ist." Es gebe auf der einen Seite milliardenschwere Entlastungspakete, die vom Steuerzahler getragen würden, und auf der anderen Seite solche, die sich im Krieg eine "goldene Nase" verdienen. "Da haben wir doch ein objektives Problem, auf das auch die FDP reagieren muss."

Eine neue Idee ist eine Übergewinnsteuer jedoch nicht. Den Ansatz, Krisengewinnler extra zu besteuern, gab es bereits im Ersten und Zweiten Weltkrieg – dies wurde damals in den USA und in Großbritannien umgesetzt. So wurden etwa Rüstungskonzerne mit einer sogenannten "Excess Profits Tax" besteuert.

Auch während der Corona-Krise wurde das Thema diskutiert. Grüne und Linke wollten Unternehmen wie Amazon, die während der Pandemie deutliche Gewinne erzielt hatten, zusätzlich besteuern.

Was spricht für die Steuer?

Für die Steuer spricht – verkürzt gesagt – das Ungerechtigkeitsempfinden vieler Menschen. Während die Verbraucher deutlich mehr für Strom, Sprit und Heizöl ausgeben müssen, drängt sich für viele der Eindruck auf, dass insbesondere die Energiekonzerne von der Teuerungswelle profitieren und übermäßige Gewinne einfahren.

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So sehen das auch einige Ökonomen. "Der größte Teil der drei Milliarden Euro an Steuergeldern wird in den Taschen der Mineralölkonzerne landen", sagte DIW-Präsident Marcel Fratzscher der Deutschen Presse-Agentur.

Auch seitens der Ampel gibt es Stimmen für eine Übergewinnsteuer

Der Düsseldorfer Ökonom Jens Südekum pflichtet ihm bei und plädiert für eine Übergewinnsteuer. "Es drohen alsbald weitere große Preisschübe, vor allem bei Gas und Lebensmitteln. Dann werden neue Entlastungspakete erforderlich", schrieb er jüngst auf dem Kurznachrichtendienst Twitter.

"Soll die 'Finanzierung' schon wieder über Neuverschuldung laufen?" Eine differenzierte Steuer auf "Windfall-Profite" halte er für angemessener. "Windfall-Profite" heißen Gewinne, die nicht vorhersehbar waren – und übermäßig deutlich ausfallen.

Auch aus der Ampelregierung gibt es Stimmen für eine Übergewinnsteuer. So sagte die Grünen-Haushaltspolitikerin Paula Piechotta der Deutschen Presse-Agentur: "Soziale Marktwirtschaft bedeutet auch das Eintreten gegen Machtballung am Markt und aktive Steuerpolitik – gerade auch in Krisenzeiten wie jetzt." Eine Übergewinnsteuer könne "ausgleichend wirken, wenn wenige auf Kosten aller immense Gewinne einstreichen, ohne dass sie einen Mehrwert geschaffen haben".

Warum gibt es Kritik an dem Plan?

Eine Übergewinnsteuer ist hochumstritten – kritisiert wird sie vor allem von marktliberalen Ökonomen und Politikern. Sie sehen in der Besteuerung von Übergewinnen einen deutlichen Eingriff in den Markt. Auch ist offen, inwiefern Übergewinne definiert werden sollen. Nicht zuletzt gibt es die Gefahr, dass die Mineralölkonzerne die Steuer auf die Verbraucher abwälzen.

Darauf stellte Bundesfinanzminister Christian Lindner (FDP) ab, der eine Übergewinnsteuer ablehnt. Wer jetzt eine Übergewinnsteuer einführe, könne nicht sicher sein, "dass die nicht überwälzt wird neu auf die Preise", warnte er in der ARD-Sendung "Maischberger".

Sein Wirtschaftsberater, der frühere Chef der Wirtschaftsweisen Lars Feld, nannte die Diskussion "populistisch". Eine Übergewinnsteuer "dürfte kaum verfassungsgemäß sein", sagte der Wirtschaftsberater von Lindner der "Rheinischen Post". Und weiter: "Ökonomisch wird man zudem fragen müssen, ob der Staat dann zukünftig übermäßige Verluste ausgleichen muss." Statt Steuererhöhungen seien jetzt weitere Entlastungen nötig.

Wirtschaftsweise Grimm: "Dürfte mehr schaden als nützen"

Auch die Wirtschaftsweise Veronika Grimm kritisierte die Debatte. "Die Übergewinnsteuer dürfte letztendlich mehr schaden als nützen", sagte sie der "Rheinischen Post".

"Zunächst gibt es keine klare Definition, was ein Übergewinn genau ist. Die Gefahr, dass man auch Unternehmen besteuert, die mit ihren Aktivitäten zur Bewältigung der Krisen beigetragen haben, ist groß", sagte das Mitglied im Wirtschafts-Sachverständigenrat der Bundesregierung.

Wie gehen andere Länder vor?

In mehreren anderen Ländern gibt es bereits eine Übergewinnsteuer. Italien etwa führte eine solche Sondersteuer von 25 Prozent für Energiekonzerne ein und erwartet Einnahmen von rund 6,5 Milliarden Euro für die Staatskasse. Großbritannien kündigte einen solchen Schritt am Donnerstag an und will mit der "Windfall Tax" rund 5,9 Milliarden Euro einnehmen. So sollen Teile eines Entlastungspakets für britische Haushalte finanziert werden.

Griechenland und Ungarn planen ebenso die Einführung einer Sondersteuer. Ungarn erwartet 2 Milliarden Euro Einnahmen. Auch in den USA wird eine solche Abgabe geprüft. Das Geld solle in Form von Steuerrückzahlungen an Bürger unter einer gewissen Einkommensschwelle fließen.

Verwendete Quellen
  • Eigene Recherche
  • Mit Material der Nachrichtenagenturen AFP und dpa
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