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Netzagentur warnt vor ungleicher Gasversorgung


Netzagentur warnt vor Ausfall Hunderttausender Gasthermen

Von dpa, rtr
Aktualisiert am 03.07.2022Lesedauer: 6 Min.
Eine Manometer, das auf null steht (Symbolbild): Die Bundesnetzagentur warnt vor ungleichen Gasverteilungen.Vergrößern des BildesEine Manometer, das auf null steht (Symbolbild): Die Bundesnetzagentur warnt vor ungleichen Gasverteilungen. (Quelle: Sven Simon/imago-images-bilder)
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Ein Gasstopp aus Russland könnte einen Druckabfall im Gasnetz zur Folge haben, sagt die Bundesnetzagentur. Dann könnte schlagartig regional die Versorgung ausfallen.

Eine ungleiche Gasversorgung in Deutschland hätte dem Präsidenten der Bundesnetzagentur zufolge weitreichende Folgen. "In dem Moment, in dem der Druck im Gasnetz in einer Region unter ein gewisses Mindestmaß fallen würde, würde auf einen Schlag in Hunderttausenden Gasthermen die Sicherung einspringen", sagte Klaus Müller den Zeitungen der Funke Mediengruppe (Sonntag). "Die müsste händisch von geschulten Fachkräften wieder freigeschaltet werden, wenn wieder Gas in der Region verfügbar wäre." Ein solches Szenario könne niemand wollen, "weil es sehr lange dauern würde, die Gasversorgung wiederherzustellen. Also wird es immer das Ziel der Bundesnetzagentur sein, notfalls Reduzierungen beim industriellen Verbrauch anzuordnen, damit dieses Szenario nicht eintritt."

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Nach Müllers Angaben sind die Gasflüsse in der Bundesrepublik bislang mehr oder weniger gleichmäßig verteilt. "Das könnte sich ändern, sollten wir nur noch Gas aus Norwegen, den Niederlanden oder Belgien erhalten", so Müller. Deshalb würden die Speicher schon jetzt so gefüllt, dass auch der Süden ausreichend versorgt werden könne. "Derzeit legen wir zum Beispiel nicht nur einen Fokus auf den größten deutschen Speicher in Rehden in Niedersachsen, sondern auch auf den Speicher in Wolfersberg in Bayern."

Städtetag sorgt sich um Stadtwerke

Mit Blick auf die Gaskrise und steigende Energiepreise wächst in den Städten die Sorge, dass Stadtwerke ernsthaft in Schwierigkeiten geraten –und damit die Versorgungssicherheit gefährdet wäre. "Der Druck auf die Stadtwerke nimmt jedem Tag zu", sagte der Hauptgeschäftsführer des Deutschen Städtetags, Helmut Dedy, der Deutschen Presse-Agentur. Würden die Stadtwerke die steigenden Preise weitergeben, wären viele Haushalte mit den Kosten überfordert. Wenn sie sie nicht weitergeben, "dann könnten viele kommunale Versorger in die Insolvenz rutschen, die Versorgung vieler Haushalte wäre nicht mehr sicher".

Dedy sagte: "Dieses Problem können nur Bund und Länder lösen." Sie müssten verhindern, dass kommunale Versorger ernsthaft in Schwierigkeiten geraten. "Sonst wäre die Versorgungssicherheit in Deutschland in Gefahr." Es seien ganz überwiegend die Stadtwerke, von denen viele Haushalte Gas und Strom, Wasser oder Wärme beziehen. Der Handlungsdruck wachse mit jedem Tag. Der Bund müsse umgehend die kommunalen Versorger unter den Schutzschild für Unternehmen stellen. Er forderte weiterhin, die betroffenen Stadtwerke müssten schnell Liquiditätshilfen über Bürgschaften und Kredite erhalten. Ein Insolvenzmoratorium muss zudem seiner Ansicht nach kurzfristig auf den Weg gebracht werden, um die Pflicht zu Insolvenzanträgen auszusetzen.

Habeck plant Reform des Energiesicherungsgesetzes

Wirtschaftsminister Robert Habeck plant angesichts rasant steigender Gaspreise eine weitere Reform des Energiesicherungsgesetzes. "Weil wir uns gerade in einem lernenden System befinden, muss es noch mal angefasst werden", sagte der Grünen-Politiker am Samstagabend in Hamburg bei einem Gesprächsabend der "Zeit". "Da sind wir gerade mit den Fraktionen im Gespräch."

Damit bestätigte Habeck Medienberichte über einen Gesetzesentwurf, den Bundestag und Bundesrat schon nächste Woche beschließen sollen. Dieser sieht die Möglichkeit vor, die Mehrkosten sämtlicher Gasimporteure für den Ersatzkauf der Gasmengen, die Russland derzeit nicht mehr liefert, grundsätzlich auf alle Kunden gleichmäßig zu verteilen.

"Scharfes Schwert, das wir noch nicht gezogen haben"

Die Änderung könnte ein bisher im Gesetz verankertes Vorgehen für den Fall einer weiteren Verknappung des Gases ersetzen. Der bestehende Passus sieht ein Umlagesystem vor, das Importeuren eine sofortige Weitergabe der Mehrkosten an ihre Kunden trotz bestehender Verträge ermöglichen würde.

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Da einige Importeure aber Gas auch aus anderen Ländern beziehen und geringere Mehrkosten haben, würden Kunden sehr unterschiedlich getroffen. "Deshalb ist es ein sehr scharfes Schwert, das wir noch nicht gezogen haben, weil wir noch an anderen Möglichkeiten arbeiten", sagte Habeck. So könne man den Keil vielleicht nicht so scharf in die Gesellschaft treiben.

Grünen-Chef Omid Nouripour geht davon aus, dass die Bundesregierung die steigenden Preise durch weitere Entlastungsmaßnahmen für die Bürger abfangen muss. "Gerade im Herbst und Winter werden die Heizkosten voraussichtlich stark steigen. Und dann werden wir auch über Entlastungen sprechen", sagt Nouripour dem Redaktionsnetzwerk Deutschland.

Habeck: Preisexplosion bei Stadtwerken ist möglich

Der Wirtschaftsminister ging auch auf die Folgen des Ausbleibens russischer Gaslieferungen aus der Pipeline Nord Stream 1 ein. Ein Lieferstopp könne eine Preisexplosion bei einigen Stadtwerken bewirken, so Habeck. Es gebe aber auch noch andere Möglichkeiten. Habeck betonte, dass private Verbraucherinnen und Verbraucher auch im äußersten Fall gesetzlich davor geschützt seien, von der Gasversorgung abgeschnitten zu werden.

Habeck hatte schon am Donnerstag deutlich gemacht, dass er ein vollständiges Ausbleiben russischer Gaslieferungen durch Nord Stream befürchtet. Es drohe ab dem 11. Juli "eine Blockade von Nord Stream 1 insgesamt", sagte der Grünen-Politiker. Deswegen könne es im Winter wirklich problematisch werden. Die Gasversorgung über den Sommer sei aber gewährleistet.

Am 11. Juli beginnen jährliche Wartungsarbeiten von Nord Stream, die in der Regel zehn Tage dauern. Dann fließt kein Gas durch Nord Stream 1. Die große Sorge ist, dass Russland nach der Wartung den Gashahn nicht wieder aufdreht.

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Bundesnetzagentur appelliert: Energie sparen

Der Präsident der Bundesnetzagentur, Klaus Müller, hatte zuvor vor dem Totalausfall russischer Gaslieferungen gewarnt – und an die Bevölkerung appelliert, Energie zu sparen. Die Frage sei, ob aus der bevorstehenden regulären Wartung der Gaspipeline Nord Stream 1 "eine länger andauernde politische Wartung wird", sagte Müller den Zeitungen der Funke-Mediengruppe (Samstag).

Wenn der Gasfluss aus Russland "motiviert länger anhaltend abgesenkt wird, müssen wir ernsthafter über Einsparungen reden". Die zwölf Wochen bis zum Beginn der Heizsaison müssten genutzt werden, um Vorbereitungen zu treffen, sagte er.

Müller rief alle Haus- und Wohnungsbesitzer dazu auf, ihre Gasbrennwertkessel und Heizkörper rasch zu überprüfen und effizient einstellen zu lassen. "Eine Wartung kann den Gasverbrauch um 10 bis 15 Prozent senken", sagte er. "Das muss jetzt passieren und nicht erst im Herbst."

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Darf es auch etwas kälter sein?

Um Engpässe bei den Handwerkerterminen zu überwinden, rief er alle Handwerker dazu auf, sich auf Heizung und Warmwasserversorgung zu konzentrieren. Außerdem solle in den Familien jetzt schon darüber geredet werden, "ob im Winter in jedem Raum die gewohnte Temperatur eingestellt sein muss oder ob es in manchen Räumen auch etwas kälter sein kann".

Müller warnte vor einer dramatischen Erhöhung der Gaspreise. "Viele Verbraucher werden schockiert sein, wenn sie Post von ihrem Energieversorger bekommen", sagte er den Funke-Zeitungen. "Durch das, was Putin uns bei Nord Stream 1 beschert, ist eine Verdreifachung drin." Weiterhin mahnte er weitere Entlastungen der Bürger an. "Viele Menschen können selbst minimale zusätzliche Belastungen nicht stemmen."

Kommunen warnen vor Kettenreaktion bei Gasversorgern

Am Donnerstag war berichtet worden, dass der Konzern Uniper bereits Staatshilfen beantragt hat. Anlass seien die stark gestiegenen Gaspreise und die reduzierten Liefermengen aus Russland infolge des russischen Angriffskriegs gegen die Ukraine. Der Energieversorger Uniper hatte seine Ergebnisprognosen für das laufende Jahr wegen der eingeschränkten Gaslieferungen aus Russland kassiert und erklärt, mit der Bundesregierung über Stabilisierungsmaßnahmen zu sprechen. Lesen Sie hier mehr dazu.

Angesichts der Turbulenzen beim größten deutschen Gasversorger Uniper hatte der Verband kommunaler Unternehmen (VKU) vor einer Kettenreaktion gewarnt, die auch die Stadtwerke erfassen könnte. Es sei "gut und richtig", dass die Bundesregierung bei Uniper handlungsbereit sei, sagte VKU-Hauptgeschäftsführer Ingbert Liebing der "Rheinischen Post" (Samstag). "Was jetzt dringend folgen muss, ist eine Anpassung des Energiesicherungsgesetzes mit besseren Instrumenten, um die Preisspirale zu dämpfen und die Versorgungssicherheit zu erhalten", betonte Liebing.

Henkel überlegt Homeoffice zum Gassparen

Der Konsumgüterhersteller Henkel erwägt, vorübergehend wieder mehr Homeoffice einzuführen, um Gas zu sparen. "Wir könnten dann die Temperatur in den Büros stark herunterfahren, während unsere Beschäftigten zuhause im normalen Umfang heizen könnten", sagte Henkel-Chef Carsten Knobel der "Rheinischen Post" (Samstag).

Außerdem könne der Konzern in seinem firmeneigenen Kraftwerk in Düsseldorf, das aktuell überwiegend mit Gas betrieben werde, mehr Kohle und Öl nutzen. "Im Vergleich zum heutigen Betrieb könnten wir so knapp ein Drittel des Gases einsparen", sagte der Manager. Doch warte das Unternehmen hier noch auf die Genehmigung der Bundesnetzagentur.

Privathaushalte sollen weiter Gas bekommen

Im Falle eines Gas-Lieferstopps würden Müller zufolge Privathaushalte ebenso wie Krankenhäuser oder Pflegeheime besonders geschützt. "Ich kann zusagen, dass wir alles tun, um zu vermeiden, dass Privathaushalte ohne Gas dastehen", sagte er. "Wir haben aus der Corona-Krise gelernt, dass wir keine Versprechungen geben sollten, wenn wir nicht ganz sicher sind, dass wir sie halten können."

Die Netzagentur sehe allerdings "kein Szenario, in dem gar kein Gas mehr nach Deutschland kommt". Müssten Industriebetriebe von der Gasversorgung getrennt werden, "orientieren wir uns am betriebswirtschaftlichen Schaden, am volkswirtschaftlichen Schaden, an den sozialen Folgen und auch an den technischen Anforderungen des Gasnetzbetriebs", sagte Müller.

Hamburgs Umweltsenator Jens Kerstan (Grüne) allerdings schließt für den Fall eines Gasnotstandes in der Hansestadt eine Begrenzung des Warmwassers für private Haushalte nicht aus. "In einer akuten Gasmangellage könnte warmes Wasser in einem Notfall nur zu bestimmten Tageszeiten zur Verfügung gestellt werden", sagte Kerstan der "Welt am Sonntag". Auch eine generelle Senkung der maximalen Raumtemperatur im Fernwärmenetz käme in Betracht. Es werde in Hamburg schon aus technischen Gründen nicht überall möglich sein, im Fall einer Verknappung von Gas zwischen gewerblichen und privaten Kunden zu unterscheiden, sagte er der Zeitung.

Norwegen will ab 2024 mehr Gas liefern

Unterdessen geht die norwegische Regierung davon aus, spätestens ab 2024 noch mehr Gas liefern zu können. "Unternehmen prüfen jetzt Projekte, um ihre Gaslieferungen ab 2024 und 2025 erhöhen zu können", sagt Terje Aasland, Norwegens Öl- und Energieminister, der "Wirtschaftswoche". "Die Krise im Energiesektor wird langfristige Auswirkungen haben. Wir müssen uns darauf konzentrieren, dass in neue Gasproduktionskapazitäten investiert wird."

Norwegens Unternehmen hätten noch nie so viel Erdgas vom norwegischen Festlandsockel exportiert wie derzeit. "Wir unterstützen unsere europäischen Freunde dabei, so schnell wie möglich unabhängig von russischem Öl und Gas handeln zu können."

Verwendete Quellen
  • Nachrichtenagenturen dpa und Reuters
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