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Angela Merkel dankt ihrem Mann: "Er hatte Vieles auszuhalten"


Höchster Orden für Ex-Kanzlerin
Merkels emotionaler Dank: "Er hatte Vieles auszuhalten"

  • Kati Degenhardt
Von Kati Degenhardt

Aktualisiert am 17.04.2023Lesedauer: 6 Min.
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Order of Merit awards ceremony in BerlinVergrößern des Bildes
Angela Merkel im Schloss Bellevue: Bundespräsident Steinmeier ehrte die Altkanzlerin mit dem Großkreuz in besonderer Ausführung. (Quelle: REUTERS/dpa-bilder)

Am Montagabend bekam Angela Merkel die höchste deutsche Auszeichnung, das Großkreuz in besonderer Ausführung. Die Altkanzlerin nutzte ihre Dankesrede für emotionale Worte.

Wenn in Deutschland ein Orden verliehen wird, und sei es die höchste Ehrung, die das Land zu vergeben hat, dann geht es natürlich mit Recht und Ordnung zu und es ist vor allem eines – nüchtern: 31 Stühle waren säuberlich vor dem Rednerpult von Frank-Walter Steinmeier im Schloss Bellevue aufgereiht. Einer für Angela Merkel, 30 für ihre Gäste.

Merkel hatte neben ihrer Familie – Ehemann Joachim Sauer, dessen Sohn Daniel und ihre Geschwister Irene und Marcus Kasner – rund 20 Gäste eingeladen: Olaf Scholz (SPD), EU-Kommissionspräsidentin und Merkels Vertraute Ursula von der Leyen (CDU), ihre früheren Kanzleramtschefs Thomas de Maizière, Ronald Pofalla, Peter Altmaier und Helge Braun (alle CDU), ihre langjährige Vertraute Annette Schavan (CDU) sowie ihren Regierungssprecher und heutigen Botschafter in Israel, Steffen Seibert.

Auch Merkels enge Beraterin Eva Christiansen, der frühere DDR-Bürgerrechtler Rainer Eppelmann, der Schauspieler Ulrich Matthes, die Vorsitzende des Ethikrates, Alena Buyx, Ex-Nationaltrainer Jürgen Klinsmann, die Kunsthistoriker Neil MacGregor und Horst Bredekamp sowie die Chemieprofessoren Robert Schlögl und Helmut Schwarz trafen kurz vor 18 Uhr im Schloss Bellevue ein. Eingeladen, aber nicht anwesend waren Merkels Vertraute Beate Baumann, der frühere Vizekanzler und Ex-SPD-Chef Franz Müntefering, die beide wegen Krankheit absagen mussten, sowie Ex-Unionsfraktionschef Volker Kauder, der terminlich verhindert war.

Steinmeier: "Enorme Kondition"

So nüchtern wie der Ort für die außergewöhnliche Ehrung gestaltet war, so verlief diese auch zunächst: Kurz nach sechs Uhr betraten ihre Gäste schweigend den Saal und suchten eilig ihre Plätze auf. Kurz darauf folgten Angela Merkel (in einem Jackett der Farbvariante dunkles Mauve) an der Seite von Bundeskanzler Olaf Scholz, Frank-Walter Steinmeier und seine Frau Elke Büdenbender und nahmen ihrerseits ihre Plätze ein. Es wäre ein Wunder, wenn Merkel die Zeit gehabt hätte, sich in diesem Moment wenigstens einmal kurz umzublicken. Steinmeier verlor nicht eine Sekunde, bevor er zu seiner Laudatio anhob.

Der Bundespräsident würdigte Angela Merkel darin vor allem für ihr großes Pflichtbewusstsein, ihre "Kraft zur Selbstkorrektur", ihre "enorme Kondition und ein ungeheures Maß an Selbstdisziplin", ihren Regierungsstil mit "Ehrgeiz, Selbstdisziplin und scheinbar grenzenloser Belastbarkeit". Dabei betonte er, sie habe sich selbst nie in den Mittelpunkt gestellt. "Jede Eitelkeit, jede Schmeichelei, jedes Getue um sie selbst waren ihr zuwider." Dass mit Merkel erstmals eine Frau und eine Ostdeutsche ins Amt kam, habe dem Land gutgetan: "Sie haben mit Ihrer Kanzlerinnenschaft dafür gesorgt, dass eine Frau an der Spitze der Regierung, dass auch weibliche Macht für immer eine Selbstverständlichkeit in unserem Land sein wird."

Merkel über ihren Mann: "Er hatte Vieles auszuhalten"

Merkel fand ihre ganz eigene Art, sich zu bedanken – und machte ihre Dankesrede geschickt zu einer kleinen persönlichen Reise durch ihr Leben. Sie erklärte, wie sie ihre Gäste ausgewählt hat – und erntete so manchen Lacher. Über ihre vier Kanzleramtsminister sagte sie: "Man könnte sagen, keiner hat es länger als vier Jahre ausgehalten."

Müntefering, dem sie aus der Ferne gute Besserung wünschte, habe ihr vor ihrer Vereidigung im Bundestag 2005 gesagt: "Das wird schon. Das hat mir geholfen." Ulrich Matthes habe ihr die Kunst des Sprechens "so ein bisschen beigebracht" und die geladenen Wissenschaftler hätten ihr eine andere Sicht auf die Welt ermöglicht, die sie in der Politik nicht finden konnte.

In ihrer kurzen Dankesrede wurde Merkel für wenige Augenblicke emotional: Es sei schade, dass ihre Eltern diesen Moment nicht miterleben könnten. Umso mehr freue sie sich, dass ihre Geschwister und der Sohn ihres Mannes, Daniel, dabei sein könnten. Und ein bisschen unerwartet, ja geradezu untypisch, erlaubte sie sich einen kurzen persönlichen Moment: "Ich danke natürlich meinem Mann: Er hatte Vieles auszuhalten, Vieles durchzustehen. Glücklicherweise hat er seine eigene Leidenschaft: die Wissenschaft. Das hat manchmal geholfen, glaube ich."

Umstrittene Auszeichnung

Die Auszeichnung ist dennoch umstritten. Ja, Angela Merkel hat als erste Frau und Ostdeutsche 16 Jahre lang das Land regiert. Sie hat das Land durch schwierige Zeiten geführt, die Finanz-, die Euro-, die Flüchtlings- und zuletzt die Corona-Krise mehr oder weniger bewältigt. Dafür verdient sie Anerkennung, und in Steinmeiers Rede klang das so: "Über den Umgang mit den Krisen und die Wege aus ihnen heraus wurde immer gestritten – zuweilen heftig. Aber nicht viele Länder haben diese Phase so gut überstanden wie die Bundesrepublik."

Doch während ihrer Amtszeit hat sie innen- wie außenpolitisch auch polarisiert: Im Zusammenhang mit der Flüchtlings- und Corona-Krise ist die Spaltung der Gesellschaft fortgeschritten. Seit Beginn des Krieges in der Ukraine steht ihre Russlandpolitik heftig in der Kritik, Deutschlands östliche Nachbarn warten vergeblich auf Führung von Europas größter Wirtschaftsmacht. Und auch Merkels milder politischer Kurs gegenüber China stößt heute auf Skepsis.

Kritische Töne waren bei der Verleihung des Großkreuzes indes nicht zu vernehmen. Steinmeier umschiffte die Möglichkeit einer kritischen Auseinandersetzung mit Merkels Russlandpolitik mit einer möglichst offenen Formulierung: "Der 24. Februar 2022 hat nicht nur Europa, er hat die Welt verändert und damit auch unseren Blick auf die Jahre deutscher und europäischer Politik zuvor. Wichtig ist, dass wir unsere Lehren daraus ziehen: Heute müssen wir anders denken, anders handeln."

Wo ist das Vermächtnis?

In ihren Kanzlerinnenjahren galt sie zeitweise als mächtigste Frau der Welt, die Medien schrieben sie zur Anführerin des Westens rauf. Allerdings herrscht über ihre historische Rolle Uneinigkeit. Während ihre Vorgänger Adenauer (Westintegration), Brandt (Ostpolitik), Schmidt (G7-Prozess) und Kohl (Deutsche Einheit) wesentliche politische Meilensteine hinterlassen, gibt es von Merkel kein auffälliges Vermächtnis in der Außenpolitik.

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Viele strukturelle außenpolitische Herausforderungen hat sie während ihrer Kanzlerinnenschaft nicht ausreichend angepackt: das für die Europäische Union so wichtige Verhältnis zu Frankreich, die Probleme der europäischen Streitkräfte, die deutschen Beziehungen zu den USA, der von wirtschaftlichen Interessen geprägte Umgang mit China sowie die – aus heutiger Sicht – fatale Abhängigkeit von russischen Rohstoffen.

Innenpolitisch hat Angela Merkel Entwicklungen häufig abgewartet, weniger gestaltet als vielmehr reagiert. Ihr Politikstil war dabei häufig sogar beliebt. Sie signalisierte den Deutschen, dass sie sich kümmert, die Lage im Griff hat, alle Fakten genau kennt, die Argumente abwägt und dann die beste Lösung findet.

Aber, um nur zwei Beispiele zu nennen, sie war auch eine machtbewusste Entscheiderin: Die Aussetzung der Wehrpflicht 2011, der Atomausstieg im selben Jahr – aus damaliger Sicht populäre Schritte und hilfreich, um Wahlen zu gewinnen – werden heute wieder kontrovers diskutiert. Ebenso ist die Bilanz der Amtszeit in Sachen Klimaschutz weit hinter den Erwartungen und auch Versprechungen zurückgeblieben.

Immerhin, allein die Länge ihrer politischen Laufbahn mag manchem auszeichnungswürdig erscheinen – die hat sie mit den beiden, bisher einzigen mit dem Großkreuz ausgezeichneten Kanzlern Konrad Adenauer (1949–1963) und Helmut Kohl (1982–1998) gemein. Steinmeier ehrte sie demnach auch "für Ihre außergewöhnlich lange Amtszeit und für Ihren außergewöhnlichen politischen Lebensweg". Merkel hat während ihrer politischen Laufbahn sieben Bundespräsidenten erlebt: Richard von Weizsäcker, Roman Herzog, Johannes Rau, Host Köhler, Christian Wulff, Joachim Gauck und Frank-Walter Steinmeier.

Von den Anfängen in Bonn bis ins Berliner Kanzleramt

Von letzterem wird sie jetzt geehrt, von ersterem erhielt sie im Januar 1991 in der Bonner Villa Hammerschmidt ihre Ernennungsurkunde zur Ministerin für Frauen und Jugend im Kabinett Kohl. "Für manch einen, der an die bundesrepublikanischen und sehr männlich geprägten Regeln der politischen Karriere gewöhnt war, war das ein bisschen viel", erinnerte Steinmeier in seiner Rede: "Und dann noch so erfolgreich!"

Nach der Wahl 1994 wechselte sie als Ministerin ins Umweltressort. Mit der Wahlschlappe der Union 1998 wurde sie Generalsekretärin der CDU und löste zwei Jahre später Helmut Kohl als Parteivorsitzende ab. 2005 gelang ihr die Wahl zur Bundeskanzlerin und blieb es 16 Jahre lang bis zu ihrem freiwilligen Ausscheiden aus dem Amt vor anderthalb Jahren.

"Heute müssen wir anders denken, anders handeln"

Mit Frank-Walter Steinmeier überreichte ihr nun ein Mann den Verdienstorden, der ihr zweimal als Außenminister gedient hat. Und dessen Politik gegenüber Russland genau wie die Merkels seit dem russischen Angriffskrieg gegen die Ukraine kritisiert wird. "Heute müssen wir anders denken, anders handeln", sagte Steinmeier in seiner Rede anlässlich der Ordensverleihung. "Dieser Epochenbruch fordert von uns allen neues Nachdenken, ja er zwingt uns, Positionen zu überprüfen, das scheinbar Undenkbare mitzudenken." Zweifelsohne hat er damit recht.

Auch wenn Angela Merkel selbst keine aktive Rolle mehr in der Politik spielt, äußert sich die 68-Jährige noch gelegentlich in der Öffentlichkeit. Bei ihrem ersten Auftritt nach ihrem Rücktritt erzählte sie, sie nehme jetzt nur noch Wohlfühltermine wahr. Der Abend im Schloss Bellevue ist ganz sicher einer aus dieser Kategorie. Steinmeier beendete seine Rede mit den Worten: "16 Jahre lang haben Sie Deutschland gedient – mit Ehrgeiz, mit Klugheit, mit Leidenschaft. 16 lange Jahre haben Sie für Freiheit und Demokratie, für unser Land und das Wohlergehen seiner Menschen gearbeitet – unermüdlich. Und manchmal bis an die Grenzen Ihrer körperlichen Kraft."

Angela Merkel nahm die Würdigung von Steinmeier gefasst auf. Keine Rührung wie bei der Feier zur Deutschen Einheit im Oktober 2021, keine Tränchen wie beim Großen Zapfenstreich im Dezember 2021. Aber da war eins – ein Lächeln, zufrieden und wohlig.

Verwendete Quellen
  • Ehrung von Angela Merkel am 17. April 2023
  • Eigene Recherche
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