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Brexit-Sorgen schrecken deutsche Firmen ab


Ein Jahr vor dem Brexit
Deutsche Firmen meiden Briten-Geschäfte


Aktualisiert am 13.03.2018Lesedauer: 3 Min.
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"Brexit – ist es das wert?" Eine Kampagne von Brexit-Gegner weist in London auf die gewaltigen Kosten des EU-Austritts hin.Vergrößern des Bildes
"Brexit – ist es das wert?" Eine Kampagne von Brexit-Gegner weist in London auf die gewaltigen Kosten des EU-Austritts hin. (Quelle: Peter Nicholls/reuters)

Die Zeit drängt: In gut einem Jahr vollzieht London den Brexit. Wie es danach weitergeht, ist noch völlig offen. Ohne rasche Klarheit könnten deutsche Unternehmen schon bald ihre Notfallpläne aktivieren.

Gut ein Jahr vor dem Brexit hat das Engagement deutscher Firmen in Großbritannien deutlich abgenommen. "Viele von ihnen nehmen keine neuen Projekte mehr für England, Schottland, Wales und Nordirland an“, sagte der Hauptgeschäftsführer des Industrieverbands BDI, Joachim Lang, am Dienstag in Berlin.

In den Unternehmen und bei den Beschäftigen wachse die Nervosität, so der Verbandschef. "In vielen deutschen Unternehmen im Vereinigten Königreich bewerben sich zunehmend mehr Mitarbeiter auf Stellen an anderen Standorten innerhalb der EU". Lang forderte deshalb ein klares Signal vom EU-Gipfel kommende Woche in Brüssel und eine Entscheidung zu einer Übergangsphase nach dem Brexit.

Großbritannien verlässt in 381 Tagen, am 29. März 2019, die Europäische Union. Wie der Austritt vonstattengehen soll, ist jedoch noch weitgehend unklar. Der Brexit werfe aber schon jetzt seine Schatten voraus, so der BDI. Im vergangenen Jahr sei Großbritannien von Platz zwei auf Rang fünf der wichtigsten Handelspartner Deutschlands abgerutscht. Das Wachstum auf der Insel gehe zurück.

London rechnet im laufenden Jahr nur noch mit einem Plus von 1,4 Prozent beim Bruttoinlandsprodukt – dem schwächsten Wert im ganzen EU-Raum. Die ausländischen Investitionen seien um 90 Prozent eingebrochen. Laut Zahlen der UN-Organisation UNCTAD flossen 2017 nur noch 20 Milliarden Dollar ins Vereinigte Königreich. 2016 waren es noch 200 Milliarden Dollar.

Übergangsphase könnte 21 Monate dauern

Entsprechend hofft die deutsche Industrie, dass die Scheidung ohne allzu große Reibungen über die Bühne geht. Der Vorschlag der EU für die Übergangsphase liegt auf dem Tisch: Sie soll 21 Monate bis zum 31. Dezember 2020 dauern und weitgehend auf dem derzeitigen Status quo fußen.

Eine Schonfrist hatte auch Premierministerin Theresa May gefordert. Jedoch pocht die EU darauf, dass London in dieser Zeit seinen Zahlungsverpflichtungen nachkommt und sich an das EU-Regelwerk hält. Die Briten würden aber ihre Stimmrechte verlieren.

EU-Kommissionspräsident Jean-Claude Juncker drückte am Dienstag aufs Tempo. "Die Uhr läuft, ein Jahr bleibt noch“, sagte Juncker im EU-Parlament in Straßburg. Und weiter: "Es ist jetzt an der Zeit, Reden in Verträge zu übersetzen, aus Zusagen Vereinbarungen zu machen." EU-Brexit-Chefunterhändler Michel Barnier appellierte an die Briten, "sich den harten Fakten zu stellen." Großbritannien könne nicht den Status eines Drittstaats anstreben und zugleich die Privilegien eines Mitgliedslandes etwa im Handel behalten.

Scheitern würde Milliarden kosten

Sollten die Brexit-Verhandlungen scheitern, wäre der Schaden immens. Auf die deutschen Unternehmen könnten Kosten von zusammen jährlich neun Milliarden Euro zukommen, haben das Beratungsunternehmen Oliver Wyman und die Anwaltssozietät Clifford Chance errechnet. Vorausgesetzt, der Handel würde zu den Regeln der Welthandelsorganisation (WTO) zurückkehren – heißt: mit Zöllen und regulatorischen Barrieren wie Zulassungsverfahren oder Wartezeiten an den Grenzen. Die britischen Unternehmen würde ein solches Szenario mit jährlich 32 Milliarden Euro noch ungleich härter treffen.

Der BDI warnte vor schwerwiegenden Konsequenzen eines harten Brexit. Nach derzeitiger Sachlage sei davon auszugehen, dass es zu langwierigen Güterabfertigungen an den Grenzübergängen kommen werde. Besonders hart würde das Industrien mit zeitkritischen Produktionsprozessen treffen. Etwa die pharmazeutische Industrie, wo es viele Medikamente gibt, deren Haltbarkeit die Hersteller in Stunden angeben. Oder die Automobilindustrie, wo Fahrzeugteile "just in time" in ausgeklügelten Logistikketten angeliefert werden.

Taskforce Brexit für den Ernstfall

Seit Sommer 2017 laufen in der Industrie deshalb die Vorbereitungen für den Ernstfall. Der BDI hat eine Taskforce Brexit eingerichtet. Ähnliche Vorbereitungen laufen in den Unternehmen. Einige Banken haben schon mit Verlagerungen auf den Kontinent begonnen. Deutsche Konzerne, die im Königreich für internationale Märkte produzieren, könnten folgen.

BDI-Hauptgeschäftsführer Lang hofft, dass der harte Brexit vermieden werden kann, zugleich aber mahnt er: "Umso wichtiger ist es, dass unsere Unternehmen kommende Woche mehr Klarheit haben. Sonst werden einige von ihnen gezwungen sein, ihre Notfallpläne scharfzustellen – für das Worst-Case-Szenario, das keiner will und das allen schadet.“

Verwendete Quellen
  • Eigene Recherchen
  • dpa, Reuters
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