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Frank Thelen: "Internet, Smartphone, Cloud: Europa hat alles verpennt"


Star-Investor Frank Thelen
"Internet, Smartphone, Cloud: Europa hat alles verpennt"

InterviewSabrina Manthey und Derk Marseille

Aktualisiert am 21.06.2019Lesedauer: 6 Min.
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Gründer und Investor Frank Thelen: Wir sollten uns trauen, verrückte Wege zu gehen und aufhören, klein zu denken.Vergrößern des Bildes
Gründer und Investor Frank Thelen: Wir sollten uns trauen, verrückte Wege zu gehen und aufhören, klein zu denken. (Quelle: imago-images-bilder)

Deutschland und den deutschen Unternehmen geht es zu gut. Das ist ein Problem. Denn geht es dir gut, bist du selbst dein größtes Hindernis, warnt Investor und "Höhle der Löwen"-Juror Frank Thelen.

Wir müssen aus dem Dornröschenschlaf aufwachen, sonst bestimmen die USA und China, wie es künftig in Deutschland aussehen wird. Dabei sollen wir vor unkonventionellen Wegen nicht halt machen, fordert der Gründer und Investor im Interview auf t-online.de. Das bedeutet vielleicht auch, Deutschland politisch abzubauen.

t-online.de: Herr Thelen, bei Ihnen hängt ein Porträt von Steve Jobs im Büro. Warum?

Frank Thelen: Auch wenn es vielleicht ein Klischee ist, für mich sind ein Steve Jobs, ein Jeff Bezos, ein Elon Musk Helden. Sie werden oft kritisiert, auch zu Recht. Sie sind nicht perfekt. Aber: Sie haben komplette Industrien neu gedacht und auf die Straße gebracht. Das ist einfach weit weg von dem, was Europa geschaffen hat.

Das Schlimme ist: Es gab drei wirklich disruptive – also tiefgreifend verändernde – Technologien, die eine Massenadaption erfahren haben: Internet, Smartphone und Cloud. Europa hat alle ausnahmslos verpennt. Es gibt GAFA (Google, Apple, Facebook und Amazon, Anm. d. Red.), Tesla, Microsoft auf der US-Seite; Baidu, Tencent, Alibaba, JD, BYD auf der chinesischen Seite. Und wir Europäer haben maximal Spotify hervorgebracht. Was super, aber nur Musik ist. Aber bei zehn Milliarden Euro Marktkapital ist das, wenn man das mit den Erfolgen in den USA und China vergleicht, leider einfach nicht relevant.

Es geht also immer um Geld?

Es geht nicht immer um die Kohle. Aber um weltweite Relevanz zu haben, sind einfach 100 Milliarden eine magische Grenze. Die gute Nachricht ist: Wir kommen in eine Zeit, in der viele von diesen Technologien die Massen erreichen: künstliche Intelligenz, 3-D-Druck, Blockchain und viele andere. Jetzt ist es wichtig, dass auch wir dies nutzen, um eben nicht wieder komplett leer auszugehen. Aus jeder dieser einzelnen Technologien und besonders aus dem Orchester dieser Technologien werden viele 100-Milliarden-plus-Unternehmen entstehen. Der Punkt ist: Wenn man nur die ersten zwei, drei Schritte verpasst, hat man überhaupt keine Chance mehr.

Was haben Steve Jobs, Elon Musk oder Jeff Bezos uns voraus?

Es ist einfach eine andere Sichtweise, eine andere Denke. Sieht man zuerst das Risiko oder fragt man sich: Kann das richtig groß werden? Dann interessiert mich das, ansonsten bitte nicht. Das sind zwei verschiedene Herangehensweisen und die müssen wir jetzt in Deutschland lernen und trainieren.

Denken wir in Deutschland zu klein, fehlt es uns an der letzten Konsequenz?

"Good is the biggest enemy of great." Wenn es dir gut geht, dann ist das ein großes Hindernis, großartig zu werden. Es ist einfacher, aus dem Schlechten heraus großartig zu werden. Dann hast du diesen Antrieb. Und den deutschen Unternehmen – nehmen wir Volkswagen, nehmen wir BMW – denen geht es gut. Die haben stabile Cashflows, die haben stabile Gewinne. In einer solchen Situation zu fordern: "Wir müssen jetzt was ändern", ist fast nicht durchsetzbar. Weil die Leute erst mal sagen: "Sorry Frank, hör mal mit deiner scheiß Panik auf. Uns geht's richtig gut."

Nur dann kann es auf einmal relativ schnell gehen. Das ist das Problem. Nehmen wir die deutschen Autobauer. Ich glaube, die deutsche Autoindustrie hat schon verloren.

Warum so pessimistisch?

Tesla verfügt heute über die Daten. Ich saß gerade gestern wieder in einem Audi e-tron und der hat keine Kameras. Also entweder sind die versteckt oder abgedeckt. Aber er scheint keine Kameras zu haben. Sie sammeln heute nicht mal Daten – in ihrem ersten elektrischen Auto.

Elon Musk hat relativ früh Kameras in sein Auto eingebaut und sammelt diese Daten aktiv. Das ist unser Problem. Tesla hat vor drei Jahren angefangen, einen Chip zu entwickeln, weil sie wussten, wir brauchen einen eigenen speziellen AI-Chip, der nur für Self-Driving optimiert ist.

Also: Ist es fünf vor zwölf oder längst zu spät?

Es gibt auch eine Menge Positives zu berichten. Und die deutsche Industrie macht vieles sehr gut. Aber ich sage auch Dinge, die falsch laufen. Dass sie nicht oder nur kaum Daten sammeln, dass sie keine Chips entwickeln und so weiter.

Mit welcher Konsequenz Amazon, Facebook und andere dies umsetzen und im Zweifel auch Instagram kaufen, das fehlt mir. Das sehe ich bei den deutschen Unternehmen nicht. BMW hätte ja das Kapital und sie tun es nicht in der Konsequenz.

Und die nationale Industriestrategie 2030 von Peter Altmaier ist auch nahezu begraben worden.

Das ist ein sehr schwieriges Thema. Ich schätze die Initiativen von Peter Altmaier. Ich glaube, wir brauchen einfach globale Champions. Nehmen wir zum Beispiel die Zugtechnologie. Zwei Europäer sollten sich zusammenschließen, um einen Globalen Champion zu bilden. Dann hast du – natürlich auch zu Recht – den deutschen Mittelstand, der sagt: "Oh, dann fallen wir aber hinten runter."

Der Mittelstand, das wirtschaftliche Rückgrat Deutschlands.

Ich sage nur, für mich stehen Deutschland und Europa über den Einzelinteressen. Wir müssen sehen, dass wir in einem globalen Raum operieren. Wir können nicht sagen: "Damit der eine deutsche Mittelständler gerettet wird, verabschieden wir uns davon, in der Champions League spielen zu wollen."

Ich verstehe natürlich auch, dass die Familienunternehmer, die heute als Hidden Champions sehr viel für unser Land beitragen und große Unternehmen sind, etwas gegen die Agenda haben. Aber wenn wir jetzt keine globalen Champions aufbauen, dann werden uns die Amerikaner und Chinesen diktieren, wie Deutschland bald aussieht.

Nun erfordert der Europäische Gerichtshof die Erfassung von Arbeitszeit und Überstunden. Ein Segen oder Albtraum für den Innovationsstandort Deutschland?

Ich glaube, das ganze Thema ist wirklich lächerlich. Wir haben so viele Probleme, so viele Herausforderungen. Wir müssen die Arbeit flexibilisieren. Ich selbst bin wenig im Büro und viel unterwegs. Am Wochenende sitze ich dann mit meinem Notebook da, kann denken und schreibe hoffentlich sinnvolle Texte oder bereite Präsentation vor. Wenn ich jetzt sagen würde, irgendeiner müsste hier seine Zeit erfassen, das allein würde schon wieder ganz viel Zeit kosten. Mich interessiert allein der Output. Wie ich meine Arbeitszeit einteile, ist total egal.

Also ein Aspekt, den wir in der modernen Zeit überwunden dachten?

Heutzutage kann ein Kevin Kühnert Enteignung wieder auf die politische Agenda setzen. Das wird aufgenommen und diskutiert und teilweise sogar ernst genommen. Und die SPD-Spitze tänzelt da herum, diesen Typen abzuschießen. Wir kommen da auch langsam auf Diskussionsebenen, wie Arbeitszeiterfassung und Enteignung, wo ich sage: Warum verschwenden wir unsere Zeit damit?

Sollte Deutschland mehr europäische Initiative zeigen, den Schwerpunkt eher auf Brüssel als auf Berlin legen?

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Das ist eine schwierige Frage, die ich leider nicht beantworten kann. Erst mal kann ich sagen, dass Politik sehr langsam, schwierig und behäbig ist. Wir haben schon das Problem hier in Deutschland mit der großen Koalition. Meiner Meinung nach ist die schon so verschieden von dem, was sie politisch will, dass sie nicht klar kommt.

Und dann haben wir ein System, das heißt Föderalismus. Du hast dann auch noch NRW, Bayern und so weiter. Alle wollen mitreden – im Bildungsbereich und auch im Ausbau von Breitband. Du hast diesen Föderalismus, du hast Deutschland, du hast Europa. Das ist alles sehr schwierig.

Also, doch mehr Europa wagen?

Wir müssen uns jetzt mal trauen, verrückte Wege zu gehen. Warum schafft man nicht Deutschland politisch komplett ab und sagt: Europa regelt das jetzt. Europa macht das. Das wäre mal eine Idee. Aber diese ganze Dreischichtigkeit, bei der sich gar nichts mehr bewegt, ist auf jeden Fall ein Problem.

Ich finde, Europa ist ein tolles Projekt. Und ich glaube, gerade mit der wachsenden Macht von China ist es umso wichtiger geworden. Nur, es wird einfach noch nicht so gelebt. Und deswegen glaube ich, wir brauchen mehr politische Entscheidung in Europa. Wir müssen uns dann aber auch trauen, Deutschland politisch gesehen abzubauen.

Vielen Dank!

Das Interview entstand im Rahmen des Podcast "Deep Dive" in Kooperation mit dem High-Tech Gründerfonds (HTGF). In diesem geht es auch noch um weitere Themen wie den Family Day 2019. Den kompletten Podcast können Sie hier hören.

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