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Wirecard-Skandal: Ist der Ex-Vorstand Jan Marsalek ein Geheimagent?


Jan Marsalek
Ist der Ex-Vorstand von Wirecard ein Geheimagent?


Aktualisiert am 20.07.2020Lesedauer: 4 Min.
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Der Firmensitz von Wirecard in München: War Jan Marsalek ein russischer Geheimagent?Vergrößern des Bildes
Der Firmensitz von Wirecard in München: War Jan Marsalek ein russischer Geheimagent? (Quelle: Sven Simon/imago-images-bilder)

Nächste Folge im Wirtschaftskrimi um Wirecard: Berichten zufolge soll der Ex-Vorstand von Wirecard, Jan Marsalek, Kontakte nach Russland haben. Sich selbst vergleicht er mit "Geheimagenten".

Gäbe es eine Netflix-Serie mit dem Titel "Wirecard", sie würde binnen kürzester Zeit Millionen Zuschauer fesseln. Zu gut, zu spannend, und vor allem zu vielschichtig scheint der Wirtschaftskrimi über das Unternehmen aus München-Aschheim, das mit Zahlungsdienstleistungen einen Milliarden-Umsatz erwirtschaftete.

Da ist zunächst die Erzählung vom kometenhaften Aufstieg der Firma. Gestartet als kleines Finanzunternehmen wächst Wirecard zum ersten richtigen Tech-Unternehmen made in Germany heran, zum gefeierten Star an der Börse, der 2018 ausgerechnet die altehrwürdige Commerzbank in der ersten deutschen Börsenliga, dem Dax, ablöst.

In der zweiten Staffel dann die ersten Kratzer am Image des Unternehmens: Wirecard wird zum Spielball der Börsenspekulanten. Immer wieder erscheinen in der britischen "Financial Times" Berichte über mögliche Mauscheleien in der Unternehmensbilanz.

Auf Wirecards glanzvollen Aufstieg folgt der tiefe Fall

Was folgt, ist der Absturz in Staffel drei: Wirecard verschiebt ein ums andere Mal seine Bilanzpräsentation, Ermittler führen Razzien in der Firmenzentrale durch, immer größer werden die Zweifel daran, dass die Bücher des Unternehmens sauber sind. Schließlich platzt die Bombe: Fast zwei Milliarden Euro sind mit hoher Wahrscheinlichkeit aus der Bilanz verschwunden – Geld, das eigentlich auf Treuhandkonten auf den Philippinen liegen soll.

Wirecard-Chef Markus Braun tritt zurück, die Aktie stürzt ab, die Staatsanwaltschaft nimmt die Ermittlungen wegen des Verdachts auf Bilanzfälschung auf. Zwischenzeitlich wird er verhaftet, kommt gegen fünf Millionen Euro auf Kaution wieder frei. Die Suche nach den Schuldigen beginnt, Finanzminister Olaf Scholz und die Bankenaufsicht Bafin rücken in den Fokus der Aufmerksamkeit, im Bundestag erwägen die Abgeordneten einen Untersuchungsausschuss.

Eigentlich könnte die Geschichte damit zu Ende sein, ein typischer Abspann folgen, der die politischen Konsequenzen, etwaige Gerichtsurteile und Gefängnisstrafen verkündet. Doch der Erfolg der Serie ist enorm, der Wunsch nach einer Fortsetzung so groß, dass sich die Macher entschließen, einen Nebenstrang, einen so genannten Spin-off zu drehen.

Marsalek scheint ein Doppelleben geführt zu haben

Am Beginn dieser neuen Erzählung stehen wir jetzt. Ihr Protagonist: Jan Marsalek, 40 Jahre alt, Ex-Vertriebsvorstand von Wirecard und damit neben Braun einer der wichtigsten Akteure des Unternehmens.

Nachdem er zuletzt als verschwunden galt, als abgetaucht auf den Philippinen, China, dann doch in Russland, kommen nun immer mehr kuriose, abenteuerliche, zum Teil haarsträubende Details zu seinem Leben ans Licht.

Medienberichte legen nahe, dass Marsalek eine Art Doppelleben geführt hat. Neben seiner Vorstandstätigkeit, so heißt es unter anderem bei der "Süddeutschen Zeitung" und beim "Handelsblatt", die sich auf Bekannte und Chatprotokolle berufen, habe sich der Österreicher stark mit Fragen innerer und äußerer Sicherheit von Staaten und der Flüchtlingsmigration beschäftigt.

Söldner-Truppe für Libyen

Demnach soll sich Marsalek Ende 2018 für den Aufbau einer Söldner-Armee in Libyen eingesetzt haben. Eine 15.000 Mann starke Miliz, so die Überlegungen damals, sollten die südliche Grenze des Landes sichern, um die Migration afrikanischer Flüchtlinge nach Europa zu stoppen.

Unterstützung für diesen Plan hat Marsalek dabei offenbar in Russland gesucht. Laut Zeugen eines Treffens, von dem die "Süddeutsche Zeitung" berichtet, hat Marsalek von "russischen Kontakten" gesprochen, die in Libyen für "Sicherheit" sorgen sollen.

Zu diesen Zeugenaussagen passt wiederum ein Bericht der "Financial Times", in dem es um ein Treffen im Jahr 2017 geht. In einem Münchner Luxusrestaurant soll Marsalek von einer Reise ins syrische Palmyra geschwärmt haben, die er gemeinsam mit den "Jungs" vom russischen Militär unternommen haben wollte.

Kannte Marsalek die Formel des Gifts Nowitschok?

Auffallend oft, so die Zeitung weiter, hätten sich in der Vergangenheit die Interessen Marsaleks mit denen des russischen Geheimdienstes gedeckt. Angeblich habe der Österreicher sogar über geheimes Wissen verfügt, so etwa die chemische Formel des Nervengifts Nowitschok – das beim tödlichen Anschlag auf Sergej Skripal, den russischen Überläufer, in England zum Einsatz kam.

Der Wirecard-Manager
Jan Marsalek, geboren am 15. März 1980 in Wien, war bei Wirecard der zweite starke Mann hinter Firmenboss Markus Braun. Marsalek stammt aus einfachen Verhältnissen. Kurz bevor er am französischen Gymnasium in Wien die Matura ablegen sollte, schmeißt er die Schule, arbeitet anschließend für Tech-Start-ups, ehe er im Alter von 20 Jahren bei Wirecard anheuert. Er ist damit länger als Braun selbst Teil des Konzerns, steigt auf und war zuletzt als Vertriebsvorstand auch für das umstrittene Asiengeschäft des Unternehmens verantwortlich.

War Marsalek selbst Teil des russischen Geheimdienstes, gar mit Verbindungen in den Kreml? Hat er womöglich versucht, dessen Interessen in Europa durchzusetzen?

Genau weiß das wohl nur Marsalek selbst. Zur Wehr jedoch setzte er sich zuletzt nicht gegen ähnlich lautende Erzählungen. Diesen Eindruck zumindest gewinnt, wer einem Bericht des "Handelsblattes" zu mehreren Nachrichten glaubt, die Marsalek nach seinem Verschwinden an Bekannte geschickt haben soll.

Er habe "mehrere Pässe, wie jeder gute Geheimagent"

Demnach habe Marsalek im Chat damit geprahlt, Kontakte zu Geheimdiensten zu haben, vom israelischen Mossad ist die Rede und von der CIA. Das Gerücht, dass Wirecard Kreditkarten für Geheimagenten ausstelle, sei, so soll Marsalek geschrieben haben, "nicht ganz falsch". Er selbst, so heißt es weiter in den Chatprotokollen, habe "mehrere Pässe, wie jeder gute Geheimagent".

Erklärt sich so, dass er zunächst in Asien gewähnt wurde, inzwischen aber doch in Russland untergetaucht sein soll? Einem Bericht des "Spiegels" zufolge soll Marsalek noch am Tag seiner Freistellung, dem 18. Juni, über Weißrussland nach Russland gelangt sein. Das gehe aus dem Einreiseregister der beiden Länder hervor – eine Ausreise habe es seitdem nicht mehr gegeben.

In Russland wiederum will man von all dem nichts wissen. Zu den Berichten, dass sich Marsalek im Land aufhalte, sagte Kremlsprecher Dmitri Peskow am Montag: "Nein, es ist nichts bekannt."

Dass damit das letzte Wort gesprochen ist, ist allerdings unwahrscheinlich. Deutsche Ermittler suchen mit Hochdruck weiter nach Marsalek. Die nächste Folge des Wirecard-Krimis ist gewiss.

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