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Volkswagen: Probleme bei VW waren in der Branche bekannt


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Krise bei Volkswagen
Gibt es sie gar nicht?


Aktualisiert am 01.11.2024Lesedauer: 5 Min.
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VW-Stammsitz in Wolfsburg (Archivbild): Die Schwierigkeiten des Konzerns waren laut Branchenkennern absehbar. (Quelle: IMAGO/Wolfram Weber Tel. 039005-315)

Plötzlich kommt alles auf den Tisch: Bei Volkswagen wird über Gehaltskürzungen und Standortschließungen verhandelt. Die Probleme gibt es schon länger. Woher kommt die neue Dringlichkeit?

Bei Volkswagen soll der Gürtel enger geschnallt werden: Werksschließungen, Stellenabbau und Gehaltskürzungen stehen im Raum. Hintergrund sind schwache Quartalszahlen und zunehmender Druck aus China.

Die Vehemenz, mit der Konzern, aber auch Politik und Gewerkschaft auf einmal verhandeln, überrascht. Denn die Schwierigkeiten des Konzerns haben sich schon länger abgezeichnet.

Konzern fordert zehn Prozent weniger Gehalt

Im Zuge der zweiten Tarifrunde mit der IG Metall hat Volkswagen nun erste Details zu den Sparplänen bekannt gegeben. Verhandlungsführer und Marken-Personalvorstand Arne Meiswinkel verkündete die VW-Forderung, die Tariflöhne um zehn Prozent zu senken. Mehr dazu lesen Sie hier.

Getrieben sind all diese Vorschläge vom erklärten Sparziel: Bis 2026 sollen die Kosten bei der Kernmarke VW nachhaltig um zehn Milliarden Euro sinken und somit die Rendite steigern. Doch davon ist das Unternehmen derzeit weit entfernt.

Wie das "Handelsblatt" unter Berufung auf ein Dokument berichtet, das der VW-Vorstand vor der Tarifrunde mit der Betriebsratschefin Daniela Cavallo geteilt hatte, sollen allein die vorgeschlagenen Gehaltskürzungen jährlich knapp 800 Millionen Euro einbringen. Würden weitere Bonuszahlungen und Zuschläge gestrichen, käme ein Betrag von insgesamt etwa zwei Milliarden Euro pro Jahr zusammen. Zusätzlich müsste aber noch in den Jahren 2025 und 2026 bei den Tarifverhandlungen eine Nullrunde vereinbart werden.

Im selben Papier rechnet der Vorstand auch die Einsparungen durch mögliche Werksschließungen vor. Derzeit gelten die Werke in Osnabrück, Dresden, Emden und Zwickau als gefährdet. Laut dem "Handelsblatt"-Bericht geht VW von einer Ersparnis von 600 Millionen Euro jährlich aus, sollte das Unternehmen die Produktion in Emden mit 8.000 Beschäftigten einstellen. Im deutlich kleineren Werk in Osnabrück winkt ein Einsparpotenzial von rund 130 Millionen Euro.

IG Metall: VW hat "Giftliste" vorgelegt

Konkrete Werksschließungen standen zum Verhandlungsauftakt der zweiten Runde am Mittwoch mit der IG Metall zunächst nicht zur Diskussion. Neben den Gehaltskürzungen nannte VW der Gewerkschaft aber noch andere mögliche Maßnahmen wie die Kürzung von Ausbildungsplätzen, berichtete am Mittwoch IG-Metall-Verhandlungsführer Thorsten Gröger. "Diese Giftliste, die Volkswagen uns da vorgelegt hat, die ist relativ lang."

Die Forderungen des Unternehmens lesen sich wie die Reaktion auf eine plötzliche, tiefe Krise. Gut in die Argumentation passen da auch die letzten Quartalszahlen. So sackte der Gewinn im Zeitraum von Juli bis September im Vergleich zum Vorjahr um 64 Prozent auf 1,58 Milliarden Euro ab. "Dies zeigt den dringenden Bedarf von erheblichen Kostensenkungen und Effizienzsteigerungen", sagte Finanzchef Arno Antlitz.

Der Umsatz hingegen lag nur knapp unter dem Vorjahresniveau. Zur Wahrheit gehört außerdem: 2023 war nach den Corona-Jahren ein deutlich stärkeres Absatzjahr, die Fallhöhe in diesem Quartal dadurch besonders hoch.

Probleme sind schon länger bekannt

Gibt es also gar keine Krise? Doch, aber es ist komplexer, als es in der aktuellen Debatte scheint. Und vor allem reichen die Probleme schon länger zurück. So hat es Volkswagen in den vergangenen Jahren nie geschafft, an die Verkaufszahlen vor der Pandemie anzuschließen. Im Jahr 2019 verkaufte das Unternehmen 10,97 Millionen Fahrzeuge. Die Zahl sackte auf 8,26 Millionen Fahrzeuge im Jahr 2022 ab. Im Jahr 2023 waren es 9,24 Millionen Fahrzeuge. Für dieses Jahr rechnet der Konzern jetzt mit 9 Millionen Wagen.

Hinzu kommt: Die Marge bei Volkswagen ist verhältnismäßig niedrig. In den ersten neun Monaten 2024 lag die operative Marge bei 5,6 Prozent. Im Jahr 2023 waren es noch 7 Prozent. Doch auch das ist weniger als bei der Konkurrenz. Zum Vergleich: Bei BMW lag die operative Marge im Jahr 2023 bei 9,8 Prozent, bei Mercedes-Benz waren es 12,6 Prozent.

Diese Zahlen waren intern und extern bekannt. Bereits im Sommer warnte VW-Markenchef Thomas Schäfer deshalb: "Der Dachstuhl brennt." Die Gründe dafür sind vielfältig, wer letztlich die Schuld an der schwierigen Lage bei VW trägt, ist umstritten.

Hildegard Müller, Präsidentin des Verbandes der Automobilindustrie (VDA), sagte t-online dazu: "Ich bin überrascht, wer alles überrascht ist." Aus ihrer Sicht liegt die aktuelle Krise an einer Reihe von politischen Entscheidungen zu Bürokratie, Energiepreisen und hohen Steuern.

Auch Ifo-Präsident Clemens Fuest beobachtet die Entwicklung seit längerer Zeit. "Ja, die Lage ist schon sehr ernst", sagte er im ZDF-"Morgenmagazin". "Man muss allerdings sagen, dass das nicht wirklich überraschend kommt." Schon unter dem früheren Chef Herbert Diess sei diskutiert worden, ob Stellen abgebaut werden müssten.

Eine besonders frühe Warnung sprach der heutige Wirtschaftsminister Robert Habeck im Jahr 2019 aus. In einem Doppelinterview mit dem damaligen VW-Chef Herbert Diess bei "Welt" warnte Habeck vor schwerwiegenden Folgen. "Wenn Sie 2025 kein E-Mobil für unter 20.000 Euro anbieten, dann werden Sie – so fürchte ich – im Markt scheitern", so Habeck damals.

Teure E-Autos

Und tatsächlich hat Volkswagen gerade bei E-Autos aktuell einen sehr geringen Marktanteil. Das günstigste Modell, der ID.3, liegt bei rund 37.000 Euro. Die Konkurrenz aus China ist hierzulande und vor allem auf dem umkämpften chinesischen Wachstumsmarkt damit kaum zu schlagen.

Zudem läuft die immer wieder beschworene Elektrowende deutlich langsamer als erwartet. Das geht auch anderen deutschen Herstellern so. Das Problem: VW und Co. waren viele Jahre mit Verbrennermotoren führend, die Umstellung auf andere Antriebe fällt entsprechend schwer. Zumal sich gerade die deutsche Politik bis heute nicht geschlossen hinter das Verbrenner-Aus 2035 stellt.

Dennoch wollte VW bis zuletzt nichts von einer verpassten Wende wissen. Nachhaltigkeits-Chef Dirk Voeste betonte bei t-online im Mai: "Obwohl die wirtschaftliche Situation herausfordernd ist, investieren wir in Nachhaltigkeit. Auch für unsere Kunden ist das von Bedeutung, davon sind wir überzeugt."

Betriebsrat: "Kurz vor der Eskalation"

Wie es nun weitergeht, ist ungewiss, nicht zuletzt, weil mehrere Gruppen mit ihren jeweiligen Einzelinteressen beschäftigt sind. Gemein in ihrem Interesse ist ihnen allen – Unternehmen, Beschäftigten, Politik –, dass Volkswagen in möglichst starker Form erhalten bleiben soll. Doch über den Weg dahin wird es wohl noch einige Auseinandersetzungen geben.

Eine Erklärung für die neue Dringlichkeit aus dem Konzern selbst ist auch, dass die früheren Anzeichen der Krise wegen weiterhin erfolgreicher Geschäftsabschlüsse und moderaten Wachstums nicht ernst genommen wurden. Nun gibt es quasi täglich neue besorgniserregende Entwicklungen – und alle Beteiligten diskutieren über Lösungen. Ob so aber nachhaltige Veränderungen bewirkt werden können, muss sich erst zeigen.

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Die Vorsitzende des Betriebsrats, Daniela Cavallo, warnte am Montag auf einer Veranstaltung mit der Unternehmensspitze bereits: "Legt euch nicht mit uns, mit der VW-Belegschaft an." Denn die auslaufenden Tarifverträge, über die aktuell verhandelt wird, heißen auch: Die Friedenspflicht ist Ende November vorbei, danach sind auch Streiks möglich. "Ihr steht ganz kurz vor der Eskalation", so Cavallo in Richtung VW-Vorstand. Am 21. November wollen VW und Gewerkschaft zur nächsten Tarifrunde zusammenkommen.

Auch von politischer Seite ist eine Einmischung zu erwarten. Zum einen ist das Land Niedersachsen mit 20 Prozent am Konzern beteiligt. Zum anderen fürchtet selbst Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD) die weitreichenden Effekte, die Werksschließungen und Entlassungen bei Volkswagen haben könnten, und rief über seinen Sprecher zu einer schnellen Einigung im Tarifstreit auf. Immerhin arbeiten allein in Deutschland 120.000 Menschen für den Konzern selbst, Zehntausende mehr bei mittelständischen Zulieferern.

Verwendete Quellen
  • Eigene Recherchen
  • Gespräch mit Hildegard Müller (VDA)
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