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Bundestagswahl: So viel Grundeinkommen steckt in den Wahlprogrammen


Analyse vor der Bundestagswahl
So viel Grundeinkommen steckt in den Wahlprogrammen


20.08.2021Lesedauer: 4 Min.
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Euroscheine (Symbolbild): Der Vorschlag eines bedingungslosen Grundeinkommens ist erfolglos geblieben.Vergrößern des Bildes
Euroscheine (Symbolbild): Ein bedingungsloses Grundeinkommen würde jedem gewährt werden – egal, wie viel er verdient. (Quelle: Marc Osborne/Thinkstock by Getty-Images-bilder)

Jeden Monat Geld bekommen, ohne etwas dafür tun zu müssen – das ist die Idee des bedingungslosen Grundeinkommens. Einführen will das bisher keine Partei, doch manche bewegen sich zumindest in die Richtung.

Die einen sagen, es korrumpiere den Leistungsgedanken, die anderen meinen, es zwinge zur Eigenverantwortung: Am bedingungslosen Grundeinkommen scheiden sich die Geister.

Welche Ansicht stimmt, soll in den kommenden drei Jahren eine Pilotstudie herausfinden, doch schon bei der Bundestagswahl Ende September könnten die Weichen in Richtung einer neuen Grundsicherung gestellt werden – und Deutschland der Idee eines Grundeinkommens zumindest näher kommen.

Wie weit die Parteien dabei jeweils gehen, hat die Stiftung Grundeinkommen analysiert. Ihr Fazit: Alle Wahlprogramme enthalten Reformvorschläge, die sich einem bedingungslosen Grundeinkommen nähern. Die Schritte fallen aber unterschiedlich groß aus.

Grundeinkommen: Linke und Grüne am ehesten auf dem Weg

So finden sich konkrete Pläne, das aktuelle System zu ändern, vor allem bei der Linken und den Grünen. Auch SPD und FDP nennen mehrere konkrete Schritte, gefolgt von der Union. Am wenigsten Anstalten, die Grundsicherung zu reformieren, macht der Analyse zufolge die AfD (mehr Details siehe Grafik unten).

"Grüne und Linke lassen sich am klarsten von der Idee eines Grundeinkommens leiten", sagt Mansour Aalam, Geschäftsführer der Stiftung Grundeinkommen im Gespräch mit t-online. Allerdings herrsche in den Parteien unterschiedlich viel Einigkeit über den weiteren Kurs.

"Die Linke hat intern einen deutlich polarisierten Diskurs. Dort steht spätestens ein Jahr nach der Wahl noch ein Mitgliederentscheid an", sagt Aalam. "Die Grünen hingegen haben in ihrem 2020 verabschiedeten Grundsatzprogramm das Grundeinkommen als Leitidee verankert und gehen jetzt die ersten Schritte."

Größte Hürde ist die Voraussetzungslosigkeit

Auffällig ist: Keine Partei rückt davon ab, die Grundsicherung auf Arbeitslose und Aufstocker zu begrenzen. Genau das ist aber eines von zwei Prinzipien des bedingungslosen Grundeinkommens: Es soll jedem ausgezahlt werden, egal ob arm oder reich, erwerbstätig oder nicht.

Das andere Prinzip ist da schon deutlich greifbarer: Wer einmal eine Leistung zugesprochen bekommt, behält sie auch dann, wenn sich sein Verhalten ändert – er muss keine Strafen befürchten.

"Von Sanktionsfreiheit sind wir gar nicht so weit entfernt. Teilweise ist das jetzt schon politisch möglich", sagt Aalam. Denkbar sei das zum Beispiel mit einer rot-rot-grünen Regierung, je nachdem, wie viele politische Zugeständnisse die SPD bereit ist zu machen.

Bei der Stiftung Grundeinkommen ist man jedenfalls überzeugt: Grundeinkommen gibt es nicht nur "ganz oder gar nicht". Auch wer einzelne Elemente des aktuellen Systems reformieren will, schaffe Voraussetzungen für einen Paradigmenwechsel.

Zur Stiftung: Die Stiftung Grundeinkommen ist ein gemeinnütziger und privat finanzierter Think Tank mit Sitz in München. Sie untersucht interdisziplinär, wie Grundeinkommen wirkt und umgesetzt werden kann.

Konkret hat sich die Stiftung folgende Elemente angeschaut:

  • Sanktionen
  • Auflagen bei der Unterkunft
  • Vermögensprüfung
  • Prüfung der Bedarfsgemeinschaft
  • Anrechnung von Hinzuverdienst auf den Regelsatz
  • Vereinfachung des Systems
  • Höhe der Regelsätze.

Wie viel Veränderung welche Partei bei welchem Element plant, zeigt die folgende Grafik:

Besonderes Augenmerk legt die Auswertung auf die ersten vier Elemente, da eine Reform dieser Punkte besonders stark auf die Idee eines weitreichenden Grundeinkommens einzahle.

Verzichte man etwa auf Sanktionen und Auflagen, würde das Geld nach der Bewilligung garantiert fließen – egal wie sich die Leistungsberechtigten verhielten. Fiele darüber hinaus die Vermögensprüfung weg und würde nicht erst ermittelt, ob eine Bedarfsgemeinschaft vorliegt, werde die Grundsicherung mehr und mehr zu einem grundsätzlichen Anrecht – statt wie bisher eine Leistung, die es erst gibt, wenn man ausreichend bedürftig ist.

Was die Parteien im Detail planen

Betrachtet man nur diese vier Elemente, liegen die Pläne der Parteien weiter auseinander, als sie es tun, wenn man auch den Transferentzug, die Vereinfachung des Systems und die Höhe der Regelsätze einbezieht.

Reformen in diesen letzten Bereichen sind laut der Stiftung Grundeinkommen zwar notwendig für ein Grundeinkommen, das bisherige System ändert sich aber nicht einschneidend, wenn man sie reformiert. Wie also sieht es bei Sanktionen, Auflagen, Vermögensprüfung und Prüfung der Bedarfsgemeinschaft aus?

Sanktionen

Die weitreichendsten Vorschläge machen Linke und Grüne. So heißt es im Wahlprogramm der Linken, dass das soziokulturelle Existenzminimum als Grundrecht verstanden werde und die Mindestsicherung deshalb sanktionsfrei sein müsse. Auch die Grünen wollen Sanktionen abschaffen.

Die SPD betont, dass "sinnwidrige und unwürdige" Sanktionen abgeschafft werden sollen, beschreibt aber nicht, was darunter zu verstehen ist. Die Grundsicherung heißt bei ihr Bürgergeld, das an Mitwirkungspflichten gekoppelt sei. Welche das sind, bleibt ebenfalls unklar.

Während sich die Union dafür ausspricht, Sanktionen beizubehalten, greifen FDP und AfD das Thema in ihren Wahlprogrammen überhaupt nicht auf.

Auflagen bei der Unterkunft

Lediglich CDU/CSU und SPD machen zu diesem Punkt Angaben. So plant die SPD, während der ersten zwei Jahre der Auszahlung nicht zu prüfen, wie Leistungsempfänger wohnen. Entsprechend würde auch die Pflicht zum Umzug entfallen, falls die Wohnung zu teuer sein sollte.

CDU/CSU geben an, "vertraute Wohnsituationen" schützen zu wollen, vor allem wenn Menschen auf ein langes Arbeitsleben zurückblicken. Was das genau bedeutet, bleibt allerdings unklar.

Vermögensprüfung

Hier machen Grüne, SPD und FDP die weitreichendsten Reformvorschläge. So wollen alle drei Parteien das Schonvermögen anheben. Die SPD will zudem die Höhe des Vermögens während der ersten zwei Jahre des Leistungsbezugs gar nicht prüfen, die Grünen möchten die Leistungsempfänger selbst über ihr Vermögen Auskunft geben lassen.

Bei der Linken soll die Vermögensprüfung grundsätzlich bleiben, die "Kriterien für die Bewilligung, den Einsatz von Einkommen und Vermögen" sollen aber geändert werden. Inwiefern, wird nicht deutlich.

CDU/CSU und AfD beschäftigen sich in ihren Wahlprogrammen nicht mit dem Thema.

Prüfung der Bedarfsgemeinschaft

Die größte Forderung kommt von der Linken: Sie will Bedarfsgemeinschaften komplett abschaffen und individuelle Ansprüche an ihre Stelle setzen. Auch die Grünen wollen die Leistungen individualisieren. Jugendliche sollen zudem nicht mehr als Mitglieder von Bedarfsgemeinschaften gesehen werden. Dadurch dürften sie Geld verdienen, ohne dass es angerechnet wird.

Bei der FDP soll der Verdienst von Jugendlichen zumindest bis zur Höhe eines Minijobs anrechnungsfrei bleiben. Außerdem will sie einen einheitlichen Satz für alle Leistungsbezieher – unabhängig vom Beziehungsstatus. Das heißt, auch Ehen und Partnerschaften sollen nicht mehr als Bedarfsgemeinschaft zählen.

Die SPD bleibt recht vage. Sie will Bedarfsgemeinschaften grundsätzlich erhalten, sie aber "passgenau" unterstützen. Union und AfD äußern sich nicht zu Bedarfsgemeinschaften.

Verwendete Quellen
  • Eigene Recherche
  • Gespräch mit Mansour Aaalam
  • Analyse der Stiftung Grundeinkommen
  • Wahlprogramm CDU/CSU
  • Wahlprogramm SPD
  • Wahlprogramm Grüne
  • Wahlprogramm FDP
  • Wahlprogramm Linke
  • Wahlprogramm AfD
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