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Corona-Pandemie: Der Staat gibt zurzeit nicht die beste Figur ab


Marktwirtschaft
Vorsicht vor dem starken Staat!

MeinungEine Kolumne von Ursula Weidenfeld

Aktualisiert am 23.02.2021Lesedauer: 3 Min.
Meinung
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Was Meinungen von Nachrichten unterscheidet.
Olaf Scholz (SPD), Angela Merkel und Peter Altmaier (beide CDU) (Symbolbild): Der Staat gibt im Augenblick nicht die beste Figur ab, findet t-online-Kolumnistin Ursula Weidenfeld.Vergrößern des Bildes
Olaf Scholz (SPD), Angela Merkel und Peter Altmaier (beide CDU) (Symbolbild): Der Staat gibt im Augenblick nicht die beste Figur ab, findet t-online-Kolumnistin Ursula Weidenfeld. (Quelle: Eibner/imago-images-bilder)

Warum es in der Krise richtig ist, die Rolle des Staates und der Unternehmen pragmatisch zu verteilen. Und welche Gefahr droht, wenn man nach der Pandemie nicht bei dieser Haltung bleibt.

Wenn Uğur Şahin erzählt, wie er zum Impfstoff gegen Covid-19 gekommen ist, liegt ihm die Welt zu Füßen. Wie der Biontech-Unternehmer aus Mainz im Januar des vergangenen Jahres ahnte, dass da etwas ganz Großes auf die Welt zukommt.

Wie er mit seiner Frau und Biontech-Mitgründerin Özlem Türeci überlegte, was die kleine Firma beitragen könnte, um das Problem zu lösen. Und wie am Ende eine weltweite Kooperation von Pharmariesen und -zwergen dafür sorgt, dass die Welt mit der Pandemie fertigwerden kann. Es ist ein Märchen aus dem Handbuch des Unternehmertums.

Der Staat gibt zurzeit nicht die beste Figur ab

Doch diese Meisterleistung führt nicht etwa dazu, dass die Bürger jetzt die Marktwirtschaft feiern, im Gegenteil: Eine Mehrheit der Bürger in Deutschland und in vielen Ländern der Welt wünscht sich eine noch aktivere Rolle des Staates. Doch zu viel erhoffen sollte sich davon niemand.

Denn der Staat gibt im Augenblick nicht gerade die beste Figur ab. Er ist überfordert. Überall in der Welt sind die Regierungen und Behörden mit dem Kampf gegen die Pandemie völlig ausgelastet. Jetzt noch mehr Aufgaben zu übernehmen – wie die Beteiligung und Kontrolle großer Unternehmen, die in die Krise gerutscht sind, oder der Kauf von Schutzausrüstungen und Masken – bringt ihn an die Grenze der Handlungsfähigkeit.

An diesen Kriterien sollte man Staatseingriffe festmachen

Auch wenn Geld im Augenblick keine Rolle spielt (und auch keine spielen sollte): Man sollte es trotzdem nicht zum Fenster hinauswerfen. Deshalb wäre es richtig, die Neuverteilung von Aufgaben zwischen den Regierungen und der Wirtschaft an ein paar Kriterien festzumachen.

  • 1. Alles, was mit Regeln zu tun hat, macht der Staat. Ein Unternehmen würde wahrscheinlich auf die absurde Idee kommen, den Impfstoff zu versteigern. Dann wäre zwar sichergestellt, dass er sehr effizient eingesetzt wird – zuerst würde da geimpft, wo durch den Lockdown die meiste Wertschöpfung vernichtet wird –, aber das Ergebnis wäre gesellschaftlich inakzeptabel. Die Reihenfolge, die Öffnungsschritte, die Beschulung: Das alles muss der Staat organisieren, damit es möglichst gerecht und fair zugeht. Geld darf hier keine Rolle spielen.
  • 2. Alles, was mit Effizienz zu tun hat, könnten die Unternehmen erledigen: Die Vergabe von Impfterminen läuft in Regionen, wo Konzertveranstalter das Management übernehmen, geschmeidiger als dort, wo Behörden sich daran versuchen. Der Einkauf von Material würde vermutlich ebenfalls dort am besten funktionieren, wo große und global agierende Händler schon lange Aufträge ausschreiben, bewerten, vergeben und logistisch planen. Es ist nicht einzusehen, dass große Handels- und Versandhandelskonzerne in den vergangenen Monaten zwar Tausende Haarschneideapparate, Zehntausende Playstations und Hunderttausende Jogginghosen pünktlich vor dem Lockdown in die Haushalte brachten, bei Masken, Handschuhen und Desinfektion aber nur ausnahmsweise gefragt wurden.
  • 3. Alles, was sich befristen lässt, wird befristet. Wenn sich der Pulverdampf verzogen hat, wird eine Bilanz gemacht. Irgendwann im kommenden Sommer, wenn die Pandemie hoffentlich eingedämmt ist, muss geschaut werden, wer was besonders gut hinbekommen hat, und wer Fehler gemacht hat. Dann ist auch der richtige Zeitpunkt, darüber nachzudenken, wie das Verhältnis zwischen dem Staat und der Wirtschaft in Zukunft gestaltet werden soll. Im September wird gewählt, dann kann sich auch der Bürger im Idealfall zwischen unterschiedlichen Modellen für die künftige Wirtschaftspolitik entscheiden. Am schlimmsten wäre es, einfach die wilden Strukturen und wirren Anweisungen der vergangenen zwölf Monate fortzuschreiben.

Das aber ist die große Gefahr. Denn schon jetzt ist absehbar, dass diese und künftige Regierungen diese Diskussion weniger praktisch als ideologisch führen wollen. Mein Kollege Florian Schmidt hat sich gestern Gedanken dazu gemacht, als bekannt wurde, dass der Sachverständigenrat zur Begutachtung der gesamtwirtschaftlichen Lage künftig auf seinen (neoliberalen) Vorsitzenden Lars Feld verzichten wird.

Die große Chance der Krise ist, genauer hinzuschauen, wer wann welche Leistungen gut herstellen und erbringen kann, und sich dann zu entscheiden. Die große Erkenntnis der Krise ist, dass es dazu keine Grundsatzentscheidung geben muss, sondern dass Zeit und Ort für die Beantwortung der Frage auch eine wichtige Rolle spielen.

Das große Risiko der Krise ist jedoch, sich wieder in die alten Schützengräben der wirtschaftspolitischen Diskussion zu begeben.

Ursula Weidenfeld ist Wirtschaftsjournalistin in Berlin. Gemeinsam mit t-online.de und der Leibniz-Gemeinschaft produziert sie den Podcast .

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