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Russlandkurs deutscher Politiker: Nicht nur in der SPD gibt es Putinversteher


Putinversteher überall
Liebesgrüße nach Moskau

  • Johannes Bebermeier
Von Johannes Bebermeier, Miriam Hollstein

Aktualisiert am 19.04.2022Lesedauer: 6 Min.
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Zum Abschied Blumen: Angela Merkel 2021 bei ihrem letzten Besuch als Bundeskanzlerin in Moskau.Vergrößern des Bildes
Zum Abschied Blumen: Angela Merkel 2021 bei ihrem letzten Besuch als Bundeskanzlerin in Moskau. (Quelle: Yevgeny Odinokov/Russian Presidential Press and Information Office/TASS/imago-images-bilder)

Die SPD steht für ihren Russlandkurs gerade scharf in der Kritik. Aber auch in anderen Parteien gibt es Prominente, die lange Zeit sehr nachsichtig mit Putin waren.

Frank-Walter Steinmeier hatte es, Manuela Schwesig auch und Gerhard Schröder sowieso: viel Verständnis für Wladimir Putin. Die Liste ließe sich mit weiteren Politikerinnen und Politikern der SPD fortsetzen. Es ist also kein Wunder, dass die Partei von Bundeskanzler Olaf Scholz gerade im Angesicht des Ukraine-Krieges besonders in der Kritik steht.

Doch es waren eben nicht nur Leute aus der SPD, die lange Zeit viel Nachsicht mit Putin hatten. In der Linkspartei gibt es ohnehin viele Moskautreue, in der AfD ironischerweise ebenfalls einige. Doch auch CDU, FDP und Grüne haben ihre Putinversteher.

Michael Kretschmer (CDU): Ein Telefonat in Moskau

Als einer der größten Putinversteher in der Union hat sich der sächsische Ministerpräsident Michael Kretschmer hervorgetan. Im Juni 2019 war es ihm gelungen, beim Internationalen Wirtschaftsforum in Sankt Petersburg auch eine Audienz mit Putin zu bekommen.

Öffentlichkeitswirksam lud Kretschmer den russischen Präsidenten nach Dresden ein, wo Putin als KGB-Agent von 1985 bis 1990 im Einsatz war. Im folgenden Landtagswahlkampf in Sachsen im Herbst 2019 warb Kretschmer mit seinen guten Kontakten zum Kremlchef und forderte die Abschaffung der europäischen Wirtschaftssanktionen gegen Russland. Damit ging er auf Konfrontationskurs zur Bundesregierung wie auch zur eigenen Parteiführung, die die Sanktionen erst dann lockern wollte, wenn die Minsker Vereinbarungen erfüllt seien.

Unbeirrt von aller Kritik reiste Kretschmer im April 2021 erneut nach Moskau – nur vier Monate, nachdem der russische Regimekritiker Alexej Nawalny, der nur knapp einen Giftanschlag überlebt hatte, in Moskau festgenommen worden war. Zu einem direkten Treffen mit Putin kam es damals nicht. Kretschmer durfte stattdessen von Moskau aus mit dem Präsidenten telefonieren – und erneuerte dabei die Einladung nach Dresden. Die Sächsische Staatskanzlei verbreitete anschließend stolz ein Foto des Telefonats.

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Selbst nach Beginn des Ukraine-Krieges warb Kretschmer weiter für den Dialog mit Moskau und die wirtschaftliche Zusammenarbeit. "Es muss sein, weil alles andere für uns noch gefährlicher, noch dramatischer sein kann", sagte er bei einer Diskussionsveranstaltung Anfang April. Wirtschaftliche Verflechtungen mit Russland blieben wichtig, auch wenn die Handelsbeziehungen wohl doch nicht so viel für die Demokratie in Russland getan hätten wie bisher angenommen.

Der ukrainische Botschafter Andrij Melnyk warf dem sächsischen Ministerpräsident daraufhin vor, er "kuschele" weiter mit seinem "Kumpelchen Putin". "Ihre unverschämte Anbiederung an diesen Kriegsverbrecher bleibt eine ewige Schande", twitterte Melnyk an Kretschmer.

Angela Merkel (CDU): Bloß keine Provokation

Die Rolle von Angela Merkel in den deutsch-russischen Beziehungen war immer ambivalent. Einerseits machte sich die in Ostdeutschland sozialisierte Pfarrerstochter nie Illusionen über die Skrupellosigkeit Wladimir Putins, misstraute ihm zutiefst. Daran änderte auch nichts, dass sie im Vergleich zu anderen EU-Chefs sehr gutes Russisch spricht und mit der russischen Kultur vertraut ist.

Nach der Invasion der Krim warf Merkel Putin mehrfach öffentlich vor, gegen das Völkerrecht zu verstoßen, und drang innerhalb der EU auf harte Sanktionen. Auf der anderen Seite war sie stets bemüht, alles zu vermeiden, was vom Kreml als Provokation hätte ausgelegt werden können.

Als die USA 2008 einen schnellen Nato-Beitritt der Ukraine und Georgiens forderte, verhinderte sie dies. Nach der Annexion der Krim erkannte sie die Gefahr der zu großen Abhängigkeit Deutschlands von russischen Energielieferungen, kündigte einen Strategiewechsel an, zog letztlich aber doch keine Konsequenzen.

Im Gegenteil: Am Pipeline-Projekt Nord Stream 2 hielt sie trotz massiven Drucks aus den USA bis zum Schluss fest. Im Juni 2021 schickte sie eine Delegation unter Leitung ihres außenpolitischen Beraters Jan Hecker nach Washington und erreichte, dass die amerikanische Regierung einwilligte, auf Sanktionen gegen das Projekt zu verzichten. Im Gegenzug verpflichtete sich Deutschland zu Maßnahmen, die die Gefahren der Pipeline für die Ukraine verringern sollten. "Die Vereinbarung ist ein außenpolitischer Sieg der Kanzlerin am Ende ihrer letzten Amtszeit", vermerkte damals der "Spiegel".

In die Reihe der überzeugten Russlandversteher passt Merkel also nicht. Aber als Kanzlerin war sie hauptverantwortlich für jene Russland-Politik, die man angesichts des Ukraine-Krieges heute als großes Scheitern beschreiben muss. Und für die fatale Abhängigkeit Deutschlands von russischen Gaslieferungen.

Antje Vollmer (Grüne): "Säbelrasseln – auf beiden Seiten"

Sie ist eine Urgrüne: Antje Vollmer gehörte der ersten Grünen-Bundestagsfraktion an und wurde die erste grüne Vizepräsidentin des Bundestages. Und sie bringt seit Jahrzehnten sehr viel Verständnis für Wladimir Putin auf. Ganz egal, was der sich alles zuschulden kommen lässt.

Als Putin 2014 die Krim völkerrechtswidrig annektierte, schrieb Vollmer mit anderen in einem Appell an die Bundesregierung, man dürfe "Russland nicht aus Europa hinausdrängen". "Das Sicherheitsbedürfnis der Russen ist so legitim und ausgeprägt wie das der Deutschen, der Polen, der Balten und der Ukrainer." Als Beleg dafür, dass die "Sucht nach Macht und Vorherrschaft" international nicht überwunden sei, wird neben der Krim-Annexion auch die angeblich "für Russland bedrohlich wirkende Ausdehnung des Westens nach Osten" angeführt.

Als Russland 2018 den früheren russischen Agenten Sergej Skripal und seine Tochter in London vergiftete, stellte sich Vollmer gegen die Sanktionen des Westens. "Man kommt nicht weiter, wenn man sich gegenseitig nur Vorwürfe macht, mit Sanktionen überzieht und gegenseitig bedroht. Einer muss da aussteigen", sagte sie im Deutschlandfunk Kultur (DLF). Die russische Bevölkerung verstehe nicht, warum das Land "jetzt plötzlich so am Pranger steht".

Noch Anfang Januar 2022, Putin hatte schon 100.000 Soldaten an der Grenze zur Ukraine postiert, beklagte Vollmer im DLF "das reale Säbelrassen, das es im Osten Europas gibt – und zwar auf beiden Seiten". Sie kritisierte die "Rhetorik, die auch bei uns, auch in den Medien immer stärker wird" und sagte: "Manchmal hat man den Eindruck, weil wir im Innern des Landes so wahnsinnig viele Konflikte haben, als ob man ein Ventil braucht und dann ist ein außenpolitischer Bösewicht natürlich ein möglicher Ausweg, aber keiner, der die Krise löst."

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Mitte Februar, wenige Tage vor dem russischen Einmarsch in der Ukraine, schloss Vollmer diesen Einmarsch in einem Interview aus. "Jeder weiß doch, dass sie eigentlich Verhandlungen erreichen wollen, die auch auf ihre eigenen Sicherheitsbedürfnisse Rücksicht nehmen", sagte sie "Telepolis". Und kritisierte stattdessen die angeblich "hysterische Berichterstattung westlicher Geheimdienste in propagandistischer Absicht". Die hatten vor einem Einmarsch Putins gewarnt, der kurze Zeit später folgte.

Wolfgang Kubicki (FDP): "Nord Stream 2 wird uns nicht schaden"

Wolfgang Kubicki, FDP-Parteivize und Vizepräsident des Bundestages, hatte es zuletzt nicht leicht. Das zumindest findet er selbst. "Im Prinzip haben sich durch den Angriff Russlands auf die Ukraine 50 Jahre meiner politischen Agenda in Luft aufgelöst", sagte er dem "Spiegel". "Das ist mit 70 nicht so einfach. Das muss man erst mal verkraften."

Was er meinte, war sein Russlandkurs und eine Putin-Nähe, mit der er sich oft genug von der Bundesregierung und seiner eigenen Partei entfernte. Nach der Annexion der Krim etwa bezeichnete Kubicki die Sanktionen gegen Russland nicht nur schnell als "kontraproduktiv". Er warf den USA in einem Positionspapier später vor, mit den Sanktionen noch ganz andere Ziele zu verfolgen: "Die USA wollen mit den Sanktionen eben auch einen Regimewechsel, die Ablösung Putins, erreichen", schrieb Kubicki.

In dem Papier bezeichnete Kubicki die Sanktionen sogar als unrechtmäßig: "Das Einfrieren von Konten, die Privatpersonen gehören, ist unter keinem rechtlichen Gesichtspunkt zu rechtfertigen." An anderer Stelle kritisierte Kubicki, dass die Nato Truppen an der Ostgrenze stationierte: "Mit Säbelrasseln und weiteren Drohgebärden wird der Konflikt nur verschärft."

Nach dem Giftanschlag auf Sergej Skripal sah Kubicki "mit großer Besorgnis, dass die Nato wieder einen Feind braucht", um ihre Existenz zu rechtfertigen. Die Erklärung des Westens, in der die USA, Großbritannien, Frankreich und Deutschland Russland zur Aufklärung des Attentats auffordern, war für Kubicki "voreilig und auch ein Fehler". Und: "Niemand weiß wirklich, wo das Gift herkommt."

Mit "Schuldzuweisungen" solle man "vorsichtig sein", bevor man nicht genau wisse, was passiert sei. Stattdessen forderte Kubicki, die Sanktionen gegen Russland zu lockern. Ohne Vorleistungen Russlands, wie er später präzisierte, auch was die Abrüstung angehe. "Denn nicht Russland ist an die Nato herangerückt, sondern die Nato an Russland."

Ziemlich genau wusste Kubicki damals hingegen, dass der Bau der Pipeline Nord Stream 2 "sehr klug" sei: "Nord Stream 1 hat uns nicht geschadet und Nord Stream 2 wird uns auch nicht schaden."

Und heute? Gesteht Kubicki im "Spiegel" zumindest Fehler ein, auch wenn er die Verantwortung weit streut. "Nicht nur ich, die meisten politischen Entscheidungsträger in der Republik haben die Zeichen, die wir heute im Nachhinein erkennen, nicht richtig gedeutet."

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