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Bundestag reagiert auf Iran-Entscheidung: "Größerer Fehler als Bushs Irakinvasion"


Bundestags-Parteien reagieren
"Ein größerer Fehler als Bushs Irak-Invasion"

Von Patrick Diekmann

Aktualisiert am 09.05.2018Lesedauer: 5 Min.
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Donald Trump und George W. Bush: Grünen-Politiker Nouripour hat Trumps Ausstieg aus dem Iran-Atomabkommen mit Bushs Krieg gegen den Irak verglichen.Vergrößern des Bildes
Donald Trump und George W. Bush: Grünen-Politiker Nouripour hat Trumps Ausstieg aus dem Iran-Atomabkommen mit Bushs Krieg gegen den Irak verglichen. (Quelle: Reuters-bilder)

Der nächste Alleingang von US-Präsident Trump: Die USA steigen aus dem internationalen Atomvertrag mit dem Iran aus. Ist der Deal noch zu retten? Wie soll Deutschland reagieren? t-online.de befragte die Parteien im Bundestag.

Nach dem Rückzug der USA aus dem internationalen Atomabkommen mit dem Iran wächst die Sorge vor den wirtschaftlichen Folgen sowie einer Eskalation der Spannungen und Kriegsgefahr in Nahost. Sollte Deutschland am Iran-Deal festhalten? t-online.de sprach mit Vertretern der Bundestagsfraktionen und sammelte Reaktionen auf die umstrittene Entscheidung von US-Präsident Donald Trump:

Rolf Mützenich, stellv. Vorsitzender der SPD-Bundestagsfraktion

Die Entscheidung Präsident Trumps, die ausgesetzten Sanktionen gegen den Iran wieder in Kraft zu setzen, wird schwerwiegende politische Folgen haben. Der US-Präsident riskiert mit seinem einseitigen Schritt einen Bruch im transatlantischen Verhältnis. Es ist daher ausdrücklich zu begrüßen, wenn Deutschland zusammen mit den europäischen Partnern Frankreich und Großbritannien das Abkommen – notfalls auch ohne die USA – aufrechterhalten will. Europa muss denjenigen Akteuren Schutz und Hilfe anbieten, die weiterhin mit dem Iran zusammenarbeiten wollen.

Auch wenn Irans Präsident Rohani einer Neuverhandlung des internationalen Atomabkommens wiederholt eine klare Absage erteilt hat, sollte man gleichwohl nichts unversucht lassen. Allerdings ist klar, dass der Iran für ein mögliches Entgegenkommen seinerseits konkrete wirtschaftliche Vorteile erwartet. Ohnehin braucht die Region einen Einstieg in ein regionales Sicherheitssystem. Eine kernwaffenfreie Zone in diesem Raum wäre ein erster notwendiger Schritt. Auf der Grundlage des Abkommens mit dem Iran könnten dann auch andere Länder vom Besitz einer Atomwaffe abgehalten werden.

Sevim Dagdelen, stellv. Vorsitzende Die Linke

Das Atomabkommen mit dem Iran muss jetzt ohne Trump gehalten werden. Die Bundesregierung muss klare Kante gegen Trumps Sanktionen zeigen und dessen Drohungen gegen europäische Unternehmen zurückweisen. Die Linke erwartet von der Bundesregierung, eine klare Botschaft an die USA zu senden: Werden europäische Unternehmen durch Trump sanktioniert, müssen die USA mit Gegenmaßnahmen rechnen. Nur so lässt sich das Atomabkommen halten.

Ohne diesen internationalen Vertrag droht eine ganze Region zu explodieren. Die Regime-Change-Politik der USA droht nach Irak, Libyen und Syrien auch noch den Iran zu verwüsten – mit verheerenden Folgen für die Sicherheit der Bevölkerung auch in Europa. Das dürfen wir nicht zulassen. Die Bundesregierung muss jetzt handeln. Trump darf mit seiner Eskalationspolitik und den Kriegsdrohungen gegen den Iran nicht durchkommen.

Alexander Graf Lambsdorff, Stellv. Vorsitzender der FDP- Fraktion im Bundestag

Der Schritt der USA macht den Nahen Osten und die Welt unsicherer. Nie zuvor hat ein Staat vergleichbar umfassende Kontrollen seines Atomprogramms zugelassen wie Iran. Mit dem Ausstieg vergibt Präsident Trump für die USA die Chance, gemeinsam mit den europäischen Partnern das Abkommen langfristig zu stärken und Lösungen für die anderen Konflikte um Irans Raketenprogramm und seine destruktiven regionalen Aktivitäten zu suchen. Mit dem Ausstieg stellt Trump – nicht zum ersten Mal – scheinbar nationale Interessen über ein gemeinsames Vorgehen im transatlantischen Bündnis.

Für alle deutschen Unternehmen, die im Iran aktiv sind – insbesondere seit der Einigung auf das Abkommen – bedeutet der Schritt der USA große Unsicherheit. Die Unternehmen können weit überwiegend nicht sicher sein, dass ihre Tätigkeit nicht von den US-Sanktionen betroffen ist. Jedes Unternehmen wird es sich deswegen dreimal überlegen, ob es seine Aktivitäten im Iran weiterführt. Damit sind die deutsch-iranischen Wirtschaftsbeziehungen in schwerem Fahrwasser.

Omid Nouripour, Bündnis 90/Die Grünen

Die Aufkündigung des Irandeals ist ein größerer Fehler als Bushs Irak-Invasion im Jahr 2003. Der Iran hält sich an seine Verpflichtungen aus dem Abkommen und unterwirft sein Nuklearprogramm umfangreichen Kontrollen. Trump schießt also die Erfolge einer beharrlichen Diplomatie in den Wind. Stattdessen läuft er Richtung Aufrüstung und Krieg. Saudi-Arabien hat schon deutlich gemacht, dass es im Falle einer nuklearen Bewaffnung des Iran selbst auch aufrüsten wird: eine nukleare Aufrüstungsspirale in der konfliktreichsten Region der Welt geht klar gegen europäische Interessen.

Wir haben aber mehrfach gesehen, dass sich Trump durch Argumente seiner Verbündeten nicht überzeugen lässt. Jetzt beginnen die Herausforderungen für die deutsche und europäische Außenpolitik daher erst recht. Sollte sich der Iran weiter an seine Verpflichtungen halten, muss die Bundesregierung gemeinsam mit den europäischen Partnern, Russland und China das Abkommen am Leben erhalten. Dazu gehört es auch, die Auswirkungen möglicher neuer US-Sanktionen abzufedern.“

Jürgen Hardt, Außenpolitischer Sprecher der CDU/CSU-Bundestagsfraktion

Das ist eine schwerwiegende Fehlentscheidung von Donald Trump. Das Scheitern des Atomabkommens würde uns zu dem Punkt zurückführen, an dem der Iran unmittelbar vor dem Bau der Atombombe steht. Das wäre eine massive Bedrohung für Israel. Wir müssen den Iran nun davon überzeugen, dass Befolgung des Abkommens weiterhin im Interesse des Irans ist – trotz der Haltung des US-Präsidenten.

Trumps Entscheidung wird zu einer erheblichen Belastung des transatlantischen Verhältnisses führen. Es ist schwer abzusehen, ob auch deutsche Unternehmen von den US-Sanktionen gegen den Iran betroffen werden. Die Aussetzung der Sanktionen hat dafür gesorgt, dass deutsche Unternehmen keine Schwierigkeiten bekommen, wenn sie Geschäfte mit dem Iran machen. Ich fürchte, dass diese Zeiten jetzt vorbei sind.

Es gibt einen einzigen Lichtblick bei der Ankündigung des US-Präsidenten: Es war nicht die Rede davon, das Problem militärisch zu lösen. Trump setzt auf neue Verhandlungen und einen besseren Deal. Wenn das ein Ausweg aus der momentanen Situation ist, sollte dieser beschritten werden.

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Alexander Gauland, AfD-Chef

Der einseitige Ausstieg aus dem Iran-Atom-Abkommen ist unabgestimmt und unklug. Die deutsche Wirtschaft hat dort vielseitige Interessen und wir profitieren vom Handel mit dem Iran. Nicht nur deshalb sind Sanktionen das falsche Mittel.

Weitere Reaktionen:

Frank-Walter Steinmeier, Bundespräsident, bei Staatsbesuch in Kolumbien

Mit der gestrigen Entscheidung des amerikanischen Präsidenten, einseitig aus dem Iran-Abkommen auszusteigen, ist ein langfristiger Friede im Mittleren Osten nicht wahrscheinlicher geworden. Der Geist des Abkommens, nämlich die Spirale der Eskalation durch den Weg der Verhandlung und der verbindlichen Vereinbarung zu durchbrechen, ist mehr Konfrontation und mehr Unberechenbarkeit in dieser spannungsgeladenen Region gewichen. Friedensdiplomatie – das ist meine Meinung – hat einen schweren Rückschlag erlitten. Und das ist bitter in einer Zeit, in der wir sie brauchen – dringender denn je.

Heiko Maas, Außenminister, im Auswärtigen Amt

Wir wollen die Kontrollmechanismen der Nuklearvereinbarung erhalten. Darum bleiben wir der Vereinbarung verpflichtet und werden dafür arbeiten, dass sie eine Zukunft hat.

Angela Merkel, Bundeskanzlerin, bei einer Konferenz von CDU-Kreisvorsitzenden in Berlin

Wir brauchen eine klare Haltung, aber auch einen langen Atem. Deutschland, Frankreich und Großbritannien haben den Rückzug der USA aus der mühsam verhandelten Vereinbarung mit Bedauern und Sorge zur Kenntnis genommen. Wir werden diesem Abkommen verpflichtet bleiben und alles daran setzen, dass auch der Iran seine Verpflichtungen einhält.

Norbert Röttgen, CDU-Außenpolitiker, in der "Huffpost"

Der Iran wird an den wirtschaftlichen Kooperationen festhalten wollen. Die aber werden für europäische Unternehmen nicht mehr möglich sein, wenn sie von den USA nicht sanktioniert werden wollen. So wird das Abkommen am Ende scheitern, auch wenn es die Europäer gerne anders hätten.

Christian Lindner, FDP-Chef, in der "Rheinischen Post"

Ich schlage einen EU-Sondergipfel zur Weltlage vor, damit die Europäer gemeinsam Position beziehen können. Das ist die einzige Chance, um auf der Weltbühne zusammen mit Russland und China gegenüber den USA Werte und Interessen Europas zu vertreten.

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