Die subjektive Sicht des Autors auf das Thema. Niemand muss diese Meinung übernehmen, aber sie kann zum Nachdenken anregen.
Was Meinungen von Nachrichten unterscheidet.Europa überflügelt die USA Bankaktien im Rausch

Europäische Banken haben in den letzten Monaten an der Börse besser abgeschnitten als ihre US-Rivalen. Das hat Gründe. Ist dieser Vorsprung zu halten?
Als Donald Trump im Januar zum zweiten Mal US-Präsident wurde, horchte der europäische Bankensektor auf. Die Sorge war groß, dass er erneut die Regulierung für US-Banken abschwächen und dies Banken in der EU und auch in Deutschland benachteiligen könnte. Die Sorge ist nicht unbegründet.
Als Trump das letzte Mal, 2018, die Auflagen für kleinere US-Banken lockerte – Stresstests und hohe Liquiditätsvorgaben galten für Institute nunmehr erst ab einer Bilanzsumme von 250 Milliarden US-Dollar statt zuvor 50 Milliarden – gingen drei Regionalbanken pleite. Kunden stürmten aus Angst um ihre Einlagen die Banken. Es herrschte Angst vor einer Finanzkrise 2.0, die nach Europa überschwappen könnte. So weit kam es am Ende zum Glück nicht.
Nun, in seiner zweiten Amtszeit, hat Donald Trump – zur Erleichterung der Europäer – bisher keine Lockerungen der Vorschriften für den amerikanischen Bankensektor vorgeschlagen. Trump hat andere Baustellen. Und so stehen Europas Banken mehrheitlich aktuell an der Börse sehr gut da. Ihre Rally setzt sich auch unter Trump 2.0 fort.

Zur Person
Antje Erhard arbeitet seit rund 20 Jahren als Journalistin und TV-Moderatorin. Ihr Weg führte sie von der Nachrichtenagentur dpa-AFX u. a. zum ZDF. Derzeit arbeitet sie für die ARD-Finanzredaktion in Frankfurt und berichtet täglich, was in der Welt der Börse und Wirtschaft passiert.
Europas Banken sind Börsenstars
Allein in diesem Jahr haben Institute wie die spanische Santander um 73 Prozent, die italienische Unicredit um 64 Prozent und die Deutsche Bank um 72 Prozent zugelegt. Indessen gewannen JP Morgan in den USA und die Bank of America in diesem Jahr an der Börse lediglich 24 beziehungsweise 10 Prozent. Um nicht zu kurz zu greifen, schauen wir noch auf die Börsenentwicklung über drei Jahre. Hier erreicht die Santander 217 Prozent Plus, die Unicredit 560, die Deutsche Bank 230, JP Morgan 160 und die Bank of America 43 Prozent.
Sicher, es gab auch einige unternehmensspezifische Gründe hierfür. Doch im Wesentlichen sind europäische Banken Nutznießer einiger positiver Entwicklungen.
Starkes Kredit- und Einlagengeschäft
Als die Europäische Zentralbank (EZB) die Zinsen ab 2022 zur Inflationsbekämpfung angehoben hatte, verdienten Banken im Euroraum wieder mehr mit klassischen Geschäften wie Krediten und Einlagen. Denn darin sind viele Institute stark positioniert. Die Zinsmarge – also die Spanne zwischen dem, was eine Bank für Einlagen ihrer Kunden bezahlt und für Kredite verlangen kann, war gestiegen. Die US-Notenbank hatte auch die Zinsen erhöht, sogar schon früher als die EZB (März 2022 versus Juli 2022), aber auch früher mit Senkungen begonnen, nämlich im September 2024, und die EZB erst im Dezember 2024.
Außerdem waren bei vielen europäischen Banken die Bewertungen in den vergangenen Jahren niedrig, denn einige waren echte Sorgenkinder. Hohe Kosten, niedrige Erträge, große Konkurrenz – das waren die Probleme bei vielen. Und das hatte Auswirkungen an der Börse. Aber die Mehrheit der betroffenen Banken hat ihre Hausaufgaben gemacht. Die jüngsten Quartalszahlen zeigen: Die Erträge steigen überwiegend, die Risikovorsorgen gegen faule Kredite sinken an vielen Stellen, die Gewinne liegen deutlich höher als in den vergangenen Jahren.
Konjunktur im Rücken
Das macht sie attraktiv für Investoren, vor allem im Vergleich zu den US-Banken, von denen viele zwar über die Jahre besser verdient haben, die aber auch tendenziell höher bewertet sind. Außerdem hatten einige Banken konjunkturellen Rückenwind. Vor allem in Ländern wie Spanien, wo die Wirtschaft ordentlich wächst, sind die Zahlen der Banken überraschend gut. Und wer gut dasteht, ist auch attraktiv in den Augen der Konkurrenz.
Wir sehen in Europa verschiedene Übernahme-Offerten. Neben der italienischen Unicredit, die gern die Mehrheit an der Commerzbank halten würde, möchte etwa die spanische BBVA den inländischen Konkurrenten Sabadell übernehmen. Eine Konsolidierung des Sektors ist also in Gang. Es könnten größere Wettbewerber entstehen. Doch einige Hürden bleiben oder werden gar größer für die Banken im Euroraum.
Was machen die Zölle mit den Banken?
Zunächst wäre da die Frage, wie die neuen Importzölle auf europäische Waren wirken werden. Anfang April hatte die Sorge darum Europas Banken an den Börsen ordentlich unter Druck gesetzt. Sie sind zwar nicht direkt betroffen, aber viele ihrer Kunden: große, kleine und mittelständische. Wenn die Nachfrage nach deutschen und europäischen Waren und Leistungen aus den USA sinkt, haben gerade exportstarke Unternehmen und Branchen ein Problem. Sie werden versuchen, andere Märkte zu erschließen – aber unter Umständen kompensiert das nicht das US-Geschäft.
Wenn also Unternehmen in Schwierigkeiten geraten, sind Zahlungsausfälle möglich. Banken müssten dann höhere Rückstellungen für Kreditausfälle bilden, sprich: die sogenannte Risikovorsorge erhöhen. Hier sind also indirekte Auswirkungen auf die Finanzbranche denkbar. Außerdem könnten Unternehmen, die weniger Umsatz und Gewinn machen, weniger investieren, die Kreditnachfrage würde dann sinken – vor allem bei Firmenkunden. Schlecht für Banken.
Was, wenn die Börsen kippen?
Und nicht zu vergessen: Wenn die Börsen kippen, weil Zölle Wirtschaftsleistung kosten und viele Unternehmen weniger verdienen, kann dies das Handelsgeschäft von Banken beeinträchtigen, vor allem von Neobrokern und Onlinebanken mit hohem Privatkundenanteil. Wir haben in den vergangenen Monaten gesehen, dass viel Geld nach Europa geflossen ist. Weil das Vertrauen in die USA angeknackst war. Doch allmählich dreht sich die Stimmung wieder: Die US-Wirtschaft wächst, die EU-Wirtschaft nur marginal. Dennoch steigen in Europa steigen die Bewertungen, auch bei Bankaktien. Doch ob die steigenden Kurse wirklich gerechtfertigt sind, wird sich zeigen.
Und doch ein Regulierungsproblem
Und dann ist da doch noch das Regulierungsproblem aus europäischer Sicht:
In Europa ist die Regulierung größer, vor allem auch seit diesem Jahr. Da gelten die Basel-III-Regeln. Die USA machen da (noch) nicht mit – die Frage ist, ob sie je mitmachen werden. Basel III sind internationale Regeln als Antwort auf die Finanzkrise 2008. Banken müssen mehr Eigenkapital vorhalten. Indessen wird von Donald Trump erwartet, dass er die Banken noch weniger reguliert als bisher – etwa um das Geschäft mit Fusionen und Übernahmen zu erleichtern. Das würde bedeuten, dass in den USA noch größere, noch stärkere Konkurrenten für die hiesigen Banken entstehen könnten.
Fazit: Viele von Europas Banken sind an der Börse im Moment weit vorn. Doch dieser Vorsprung basiert auf kurzfristigen Effekten wie Zinspolitik und günstigen Bewertungen. Langfristig müssen sie beweisen, dass sie auch innovativ und wettbewerbsfähig bleiben. Sonst holen die US-Riesen schnell wieder auf.
- Eigene Meinung