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Erwin Rüddel: Dieser CDU-Mann will die Freigabe von Cannabis


Cannabis-Freigabe
Dieser CDU-Abgeordnete bricht ein Tabu in seiner Partei

Von Mauritius Kloft

13.06.2022Lesedauer: 4 Min.
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Erwin Rüddel: Der Konservative arbeitet an der Cannabis-Freigabe mit – als CDU-Abgeordneter steht er damit auf leerer Flur in seiner Fraktion.Vergrößern des Bildes
Erwin Rüddel: Der Konservative arbeitet an der Cannabis-Freigabe mit – als CDU-Abgeordneter steht er damit auf leerer Flur in seiner Fraktion. (Quelle: Kloft/T-Online-bilder)

Bislang war die Legalisierung von Cannabis in der Union ein Tabuthema. Ein Abgeordneter der CDU will das jetzt ändern – und unterstützt eine Freigabe von Gras.

Wenn Erwin Rüddel von der Reise erzählt, die ihn zu einem Befürworter der Cannabis-Legalisierung machen sollte, wirkt er aufgeregt. Er verschränkt die Arme, drückt die Knie durch – nur um kurz später die Beine wieder zurückzuziehen und mit den Armen zu gestikulieren.

Es war 2015, berichtet der 66-Jährige, der seit 2009 für die CDU im Deutschen Bundestag sitzt, als er und einige Kollegen auf einer Parlamentarierreise in Uruguay gewesen sind. Mit dabei war der SPD-Mann Burkhard Blienert, der heutige Bundesdrogenbeauftragte.

In Uruguay ist Cannabis seit 2013 erlaubt. Anders als in den Niederlanden ist dort nicht nur der Konsum, sondern auch der Anbau und der Verkauf klar geregelt. Die Folge: In dem kleinen südamerikanischen Land ist der Schwarzmarkt stark zurückgedrängt worden – auch wenn es Beobachtern zufolge bis heute zu wenige Abgabestellen gibt.

Die Reise damals habe ihn und Blienert schwer beeindruckt, sagt Rüddel. Anlass war die bevorstehende Legalisierung von Cannabis für medizinische Zwecke; Gras auf Rezept ist hierzulande seit Anfang 2017 gesetzlich erlaubt.

Ampel will Cannabis freigeben

Jetzt, sieben Jahre nach der Reise, will die Regierung Cannabis an die breite Masse freigeben. SPD, Grüne und FDP wollen eine "kontrollierte Abgabe von Cannabis an Erwachsene zu Genusszwecken in lizenzierten Geschäften" einführen.

Bundesgesundheitsminister Karl Lauterbach (SPD) hatte jüngst Fachgespräche über den Sommer angekündigt. In der zweiten Jahreshälfte soll ein Gesetzentwurf folgen.

Und Rüddel? Er war immerhin bis 2021 Vorsitzender des Gesundheitsausschusses. Der jetzigen Regierung gehört er aber nicht mehr an, sitzt in der Opposition seit Olaf Scholz zum Bundeskanzler gewählt worden ist. Und nicht Armin Laschet.

Rüddel stört das indes wenig. Er sagt: "Wir sollten offen sein für eine ernsthafte Diskussion über die Legalisierung von Cannabis." Als konservativer Politiker steht er mit dieser Ansicht jedoch fast allein auf weiter Flur.

Unionsfraktion: "Das ist nicht unser Weg"

So lehnt die Vorgängerin von Blienert, Daniela Ludwig, eine Fraktionskollegin von Rüddel, eine Cannabis-Freigabe strikt ab. "Zugunsten eines vermeintlichen Zeitgeistes die Gesundheit der Bevölkerung zu riskieren, kann und sollte nicht Ziel der neuen Bundesregierung sein", sagte die CSU-Politikerin der "Rheinischen Post" im Oktober vergangenen Jahres.

Auch die Antwort der Unionsfraktion ist eindeutig. "Eine Legalisierung illegaler Drogen lehnt die CDU/CSU-Bundestagsfraktion ab", teilte eine Sprecherin auf Anfrage von t-online mit. Zu groß seien die gesundheitlichen Folgen für den Einzelnen und die Auswirkungen auf Familie, Umfeld und Gesellschaft.

"Wer legalisiert, der stellt gerade nicht Gesundheits- und Jugendschutz in den Mittelpunkt der Drogenpolitik, entzieht sich seiner Verantwortung und lässt Betroffene sowie ihre Angehörigen mit den Problemen allein", so die Sprecherin weiter. "Das ist nicht unser Weg."

Rüddel hat "Sympathien" für Legalisierung

Aber eben der von Erwin Rüddel. Auch wenn er das so deutlich wohl nie sagen würde.

Er greift lieber auf harmlosere Formulierungen zurück, sagt, er habe "gewisse Sympathien für eine Legalisierung". "Gerade bei einem gesellschaftlich aufgeladenen Thema wie der Cannabisfreigabe ist es wichtig, einen politischen Konsens über Regierung und Opposition hinweg zu finden", sagt er.

Und hat einen klaren Auftrag an seine Abgeordnetenkollegen. "Deswegen müssen wir als CDU/CSU-Bundestagsfraktion eine fachlich fundierte und konstruktive Oppositionsarbeit leisten", so Rüddel. Dafür habe er bereits ein umfassendes Positionspapier verfasst und an die Fraktionsspitze gesendet.

Zu Rüddels Engagement hält man sich in der Unionsfraktion bislang bedeckt. Auf t-online-Anfrage wollte sich niemand aus dem Fraktionsvorstand dazu äußern.

Blienert: "Debatte ist in Bewegung"

In der Regierungsfraktion begrüßt man hingegen das Engagement Rüddels. So sagte Grünen-Gesundheitspolitikerin Kirsten Kappert-Gonther t-online: "Es wäre erfreulich, wenn progressive Stimmen innerhalb der Union mehr Gehör finden würden." Die Prohibition von Cannabis sei "gescheitert".

"Eine konstruktive Beteiligung der Opposition am parlamentarischen Prozess für eine kontrollierte Freigabe von Cannabis wäre wünschenswert", so Kappert-Gonther weiter.

Drogenbeauftragter Blienert sagte t-online in Richtung Rüddel: "Seine Position ist mir bekannt. Ich finde es gut, dass sich in der Gesellschaft insgesamt etwas bewegt, dass die Debatte in Bewegung ist."

Ampelparteien müssen sich noch einig werden

Trotz aller Bewegung scheint ein gemeinsamer Konsens aktuell in weiter Ferne. So gibt es allein in der Ampel eklatante Unterschiede in den Positionen der Parteien.

Während die Grünen und die FDP den Eigenanbau von Cannabis erlauben wollen, lehnt Blienert das ab, zumindest als alleinige Grasquelle. Rüddel stellt ebenfalls darauf ab, möglichst sauberes Gras zu verkaufen, das stets die gleiche Qualität habe.

Offen ist ebenfalls, ob auch Apotheken Gras verkaufen dürfen. Und zu guter Letzt die Frage nach einer Cannabis-Steuer. Die dürfe nicht zu niedrig sein, um "zum Konsum anzuregen", sagt Rüddel.

Gras dürfe aber auch nicht so teuer sein, "dass sich die Menschen am Schwarzmarkt bedienen", sagt der CDU-Mann. "Das wäre fatal. Es ist ein schmaler Grat, auf dem sich die Ampelregierung bewegt."

Ziel: Schwarzmarkt austrocknen

Daher habe er seit der Uruguay-Reise Modellprojekte gefordert, die aber nie umgesetzt wurden. In denen hätte die Legalisierung schon einmal geprobt werden können, so Rüddel.

Über den Sinn der Legalisierung dürften sich die Regierungsparteien und Rüddel einig sein. "Das Ziel muss sein, den Schwarzmarkt so weit wie möglich auszutrocknen", sagt der CDU-Abgeordnete.

Auch Blienert stellt auf den Schwarzmarkt ab, sagt: "Wir müssen erwachsene Menschen, die Cannabis konsumieren möchten, doch nicht zu Kriminellen machen. Außerdem werden wir durch unser staatlich kontrolliertes, sicheres Cannabis ein unsicheres Produkt vom Schwarzmarkt ersetzen und so die Gesundheit der Menschen besser schützen."

Konsultationsprozess startet

Rüddel sagt, dass sich die Ansichten von ihm und Blienert nicht allzu stark unterschieden. Unter anderem wegen ihres gemeinsamen Trips nach Uruguay. Blienert sagt, er habe auf dieser Reise "viele wertvolle Eindrücke bekommen".

"Aber meine Meinung zu Cannabis fußt nicht allein auf dieser Erfahrung, sondern ist ein Ergebnis jahrelanger sachlich-fachlicher Auseinandersetzung mit dem Thema", so Blienert weiter.

Um einen gemeinsamen Konsens zu finden und wichtige Fragen zu klären, startet Blienert am Montag einen Konsultationsprozess. Gemeinsam mit dem Gesundheitsministerium, weiteren Ressorts und Cannabis-Experten gibt es insgesamt fünf Termine zu unterschiedlichen Schwerpunkten, etwa dem Grasanbau oder Jugendschutz. Auch Rüddel wird sich hier einbringen. Selbst wenn es seiner Fraktion nicht gefällt.

Verwendete Quellen
  • Eigene Recherche
  • Gespräch mit Erwin Rüddel
  • Schriftliches Statement von Kirsten Kappert-Gonther
  • Schriftliches Statement von Burkhard Blienert
  • Schriftliches Statement von Sprecherin der Unionsfraktion
  • Tagesschau: "Gras vom Staat"
  • ZDF: "Drogenbeauftragte gegen Cannabis-Freigabe"
  • Mit Material der Nachrichtenagentur dpa
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