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Steinmeier an Putin: "Unterschätzen Sie nicht die Stärke der Demokratie"


Steinmeier appelliert an Putin
"Unterschätzen Sie nicht die Stärke der Demokratie"

Von reuters, t-online, afp, dpa
Aktualisiert am 13.02.2022Lesedauer: 5 Min.
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Frank-Walter Steinmeier: Nach seiner Wiederwahl als Bundespräsident forderte er Putin zu Frieden in der Ukraine auf. (Quelle: reuters)

Die Bundesversammlung hat im ersten Wahlgang Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier mit großer Mehrheit im Amt bestätigt. In seiner Rede gab er Russland die Schuld am Ukraine-Konflikt und forderte Putin zu Frieden auf.

Frank-Walter Steinmeier bleibt deutscher Bundespräsident. Die Bundesversammlung bestätigte den 66-Jährigen am Sonntag mit großer Mehrheit gleich im ersten Wahlgang im Amt. Steinmeier, der von den Ampelparteien SPD, Grüne und FDP sowie von der CDU/CSU-Opposition nominiert wurde, kam auf eine Zustimmung von rund 73 Prozent.

Er erhielt 1.045 von 1.425 gültigen Stimmen und nahm die Wahl direkt im Anschluss an die Verkündung des Ergebnisses an. Zwölf Stimmen waren ungültig. Steinmeier ist damit erst der fünfte Bundespräsident mit einer zweiten Amtszeit.

"Dafür trägt Russland die Verantwortung"

In seiner Rede nach der Wiederwahl warnte Steinmeier vor der akuten Gefahr eines Kriegs in Europa. Er wies Russland die Verantwortung für die angespannte Sicherheitslage rund um die Ukraine zu: "Wir sind inmitten der Gefahr eines militärischen Konflikts, eines Krieges in Osteuropa", sagte Steinmeier. "Dafür trägt Russland die Verantwortung."

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Der Bundespräsident wandte sich direkt an den russischen Staatschef Wladimir Putin. "Ich appelliere an Präsident Putin: Lösen Sie die Schlinge um den Hals der Ukraine! Und suchen Sie mit uns einen Weg, der Frieden in Europa bewahrt", appellierte Steinmeier.

Leidenschaftliche Verteidigung der Demokratie

Steinmeier nutzte seine Rede für eine leidenschaftliche Verteidigung der Demokratie. "Ich weiß wohl: In den Augen von autoritären Herrschern gelten demokratische Institutionen als schwach." Die Demokratie aber sei "stark, weil sie ihre Kraft nicht mit Unterdrückung, nicht mit Drohungen nach außen und Angst im Inneren erkauft. "Ich kann Präsident Putin nur warnen: Unterschätzen Sie nicht die Stärke der Demokratie."

"Russlands Truppenaufmarsch kann man nicht missverstehen", sagte der frühere Bundesaußenminister. "Das ist eine Bedrohung der Ukraine und soll es ja auch sein." Doch die Menschen in der Ukraine hätten "ein Recht auf ein Leben ohne Angst und Bedrohung, auf Selbstbestimmung und Souveränität". Wer dies zu zerstören versuche, "dem werden wir entschlossen antworten!"

Versprechen an Nato-Partner

Aus Washington, Paris und Berlin komme in diesen Tagen die gleichlautende Botschaft: "Wir wollen friedliche Nachbarschaft im gegenseitigen Respekt."

Frieden müsse immer wieder erarbeitet werden, im Dialog, aber wo nötig auch mit Klarheit, Abschreckung und Entschlossenheit, betonte Steinmeier. Deutschlands Botschaft an die Nato-Partner in Osteuropa sei: "Sie können sich auf uns verlassen."

Überparteilich, aber nicht neutral

Steinmeier nutzte seine Rede auch, um über sein Amtsverständnis zu sprechen. Er sei "überparteilich, ja – aber ich bin nicht neutral, wenn es um die Sache der Demokratie geht. Wer sie angreift, wird mich als Gegner haben!"

Auch im Inland werde er die Demokratie weiter gegen stärker werdende Anfechtungen verteidigen, sagte Steinmeier. In den zwei Jahren der Corona-Pandemie hätten sich "Frust, Enttäuschung, Gereiztheit" breit gemacht. Er stelle sich dabei gegen all jene, "die Wunden aufreißen, die in der Not der Pandemie Hass und Lügen verbreiten, die von 'Corona-Diktatur' fabulieren und sogar vor Bedrohung und Gewalt nicht zurückschrecken".

Steinmeier kündigte an, gleich zu Beginn seiner zweiten Amtszeit im März durch das Land zu reisen, um mit den Bürgerinnen und Bürgern ins Gespräch zu kommen. "Ich will Orte besuchen, an denen Menschen Verluste erleben", sagte er. Er wolle "in die Winkel unserer Gesellschaft, fernab vom Selbstgespräch der Hauptstadt" vorstoßen.

Gegenkandidaten chancenlos

Die Kandidaten der anderen Parteien blieben wie erwartet chancenlos. Auf den von der Linken aufgestellten Mediziner Gerhard Trabert (65) entfielen 96 Stimmen, der von der AfD nominierte CDU-Politiker und Ökonom Max Otte (57) erhielt 140 Stimmen. Für die von den Freien Wählern ins Rennen geschickte Physikerin Stefanie Gebauer (41) stimmten 58 Delegierte.


Für Trabert und Gebauer war es ein Achtungserfolg, sie erhielten mehr Stimmen, als ihre Parteien Wahlleute in der Bundesversammlung hatten. Otte lag hingegen unter der Zahl der 151 AfD-Wahlleute. Es gab 86 Enthaltungen. Sein Ergebnis war im Vorfeld mit Spannung erwartet worden. Die Kandidatur des CDU-Politikers auf AfD-Ticket war extrem umstritten. Die CDU entzog ihm deswegen die Mitgliederrechte und leitete ein Parteiausschlussverfahren ein.

SPD, Grüne, FDP und CDU/CSU stellten zusammen 1.223 der 1.472 Mitglieder der Bundesversammlung – also weit mehr als die im ersten Wahlgang notwendige absolute Mehrheit. Steinmeier erhielt also nicht alle Stimmen aus diesen Fraktionen.

Bas mit Appell für Mut und Respekt

Bundestagspräsidentin Bärbel Bas (SPD) nutzte die Bundesversammlung zu einem Appell für mehr Mut und Respekt angesichts der aktuellen Krisen. Sie rief Bürger und Politiker in ihrer Eröffnungsrede auf, auch unter den erschwerten Bedingungen von Corona-Pandemie, Ukraine-Konflikt, Klimawandel und Preissteigerungen nicht die Nerven zu verlieren. "Jede Zeit stellt neue Aufgaben. Mit jedem Schritt vorwärts sind Risiken verbunden", sagte sie und forderte: "Trauen wir uns dennoch Veränderung und Fortschritt zu!"

Bas beschrieb die polarisierte Stimmung im Land: "Scheinbar unversöhnlich stehen Menschen sich gegenüber, die unterschiedliche Einstellungen haben. Die Stimmung im Land, in Familien und Freundeskreisen leidet darunter. Dagegen hilft kein Impfstoff." Deshalb seien Mut, Zuversicht und ein respektvoller Ton im Umgang mit Andersdenkenden jetzt so wichtig. "Die Mehrheit hat nicht automatisch recht – die Minderheit aber auch nicht", betonte sie. Alle müssten sich bewegen und aufeinander zugehen.

Lob von Klingbeil und Söder

SPD-Chef Lars Klingbeil hatte vor der Wahl betont, in einer so polarisierten Zeit brauche Deutschland einen Bundespräsidenten, "der in der Lage ist, Brücken zu bauen, der in der Lage ist, Menschen zusammenzubringen, auch eine Sprache zu finden, die das Land zusammenhält und vereint". Das sei Steinmeier. Er gehe davon aus, dass sich Steinmeier in einer zweiten Amtszeit noch stärker in gesellschaftlichen Kontroversen einmischen und dem Land mehr Orientierung geben werde. Auch CSU-Chef Markus Söder bescheinigte ihm Souveränität in schwierigen Zeiten.

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Der 66-Jährige, der seine Parteizugehörigkeit zur SPD als Staatsoberhaupt ruhen lässt, ist seit 2017 Bundespräsident. Zuvor war er von 2005 bis 2009 und dann wieder von 2013 bis 2017 Außenminister. Bei der Bundestagswahl 2009 scheiterte er als SPD-Kanzlerkandidat.

Auch Merkel durfte wählen

Die Bundesversammlung ist das größte parlamentarische Gremium in Deutschland. Seine einzige Aufgabe ist die Wahl des Staatsoberhaupts alle fünf Jahre. Die Versammlung setzt sich zusammen aus den Abgeordneten des Deutschen Bundestags und einer gleich großen Zahl von Mitgliedern, die die 16 Landtage entsenden.

Mit dabei war am Sonntag auch Ex-Kanzlerin Angela Merkel, die vor der Wahl langen Applaus erhielt. Auf der Liste der Wahlleute standen außerdem Prominente wie Bundestrainer Hansi Flick, Fußballer Leon Goretzka oder Musiker Roland Kaiser und Wissenschaftler wie Astronaut Alexander Gerst, Virologe Christian Drosten und die Biontech-Mitgründerin und Impfstoff-Entwicklerin Özlem Türeci.

Da der Bundestag derzeit 736 Abgeordnete zählt, bestand die Bundesversammlung aus 1.472 Wahlfrauen und -männern: so viele wie nie zuvor. Wegen der Corona-Pandemie kamen sie diesmal nicht im Plenarsaal des Reichstagsgebäudes zusammen, sondern im benachbarten Paul-Löbe-Haus, wo mehr Platz ist. Mehr als 70 Nachrücker kamen zum Zuge – unter anderem, weil Delegierte mit positiven Corona-Tests ausfielen.

Verwendete Quellen
  • Nachrichtenagenturen Reuters, dpa und AFP
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