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Putin fälscht Russlands Wirtschaftsdaten: Sind Zahlen Moskaus Kriegswaffe?


Putins Wirtschaft
Das Schlimmste kommt erst noch


Aktualisiert am 17.03.2023Lesedauer: 5 Min.
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Wladimir Putin: Hat sich der Kremlchef mit der Gas-Drohung verzockt?Vergrößern des Bildes
Wladimir Putin: Hat sich der Kremlchef mit der Gasdrohung verzockt? (Quelle: Vyacheslav Prokofyev/dpa)

Die russische Wirtschaft wirkt auf den ersten Blick stabil. Auf den zweiten aber deutet vieles darauf hin, dass Putin die Statistiken fälscht und die Sanktionen wirken.

Die Unruhe im Westen ist groß. Eigentlich sollten die Wirtschaftssanktionen gegen Russland dazu führen, dass Kremlchef Wladimir Putin seinen Angriffskrieg gegen die Ukraine beenden muss. Das klappte nicht, im Gegenteil: Die russische Wirtschaft erwies sich als unerwartet widerstandsfähig, der Krieg dauert an.

Leute wie die Linken-Politikerin Sahra Wagenknecht sagen deshalb: "Die Sanktionen schaden nicht Russland, sondern nur uns." Und der Kreml tut alles, um dieses Narrativ zu stützen. Allein: Mit der Realität hat das nicht viel zu tun.

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Denn vieles deutet darauf hin, dass Putin die russischen Wirtschaftsdaten gezielt schönt, um die ökonomischen Folgen seiner Invasion zu vertuschen. Dabei half ihm im vergangenen Jahr, dass die Energiepreise stark stiegen und sein Land mehr Geld mit dem Verkauf von Öl und Erdgas einnahm. Dieses Jahr aber sehen die Prognosen für die russische Wirtschaft düsterer aus. Tatsächlich gleicht sie wohl eher einem taumelnden Boxer. Nur wann geht der wirklich k. o.?

Kreml schönt Wirtschaftsdaten

Rückblick aufs Jahr 2022: Auf dem Papier war das erste Kriegsjahr für die russische Wirtschaft alles andere als die Katastrophe, die international Wirtschaftsexperten prognostiziert hatten.

Nach den ersten Kriegsmonaten war der Internationale Währungsfonds (IWF) zunächst davon ausgegangen, dass die russische Wirtschaft um 8,5 Prozent schrumpfen würde. Tatsächlich waren es minus 2,2 Prozent. Für Kritiker der Strafmaßnahmen war das schon damals der Beweis: Die Sanktionen gegen Russland würden nicht wirken.

Doch das ist unlogisch. Denn Russland hat kein Interesse daran, schlechte Wirtschaftszahlen zu präsentieren. Putin möchte zeigen, dass er sich von westlichen Sanktionen nicht beeindrucken lässt – und damit den Westen und dessen Verbündete demoralisieren.

Im Kreml weiß man: Die Sanktionen gleichen einem Gift, das langsam wirkt; einer Wunde, die im Laufe der Zeit immer größer und immer schmerzhafter wird. Und Experten sind sich einig: Die Strafmaßnahmen wirken – und treffen Russland stärker als den Westen.

Für Putin sind die Wirtschaftsdaten darum auch eine Kriegswaffe. Es wäre naiv, davon auszugehen, dass er sie nicht fälschen würde. Auch deshalb führte der Kreml 2022 eine Statistikzensur ein. Es werden kaum Wirtschaftsdaten, keine Daten über internationale Reserven, keine Handels- und Produktionszahlen veröffentlicht. Die Folge: Es gibt keine Transparenz.

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Prognosen ohne Grundlage

"Vertrauen Sie nicht Russlands Zahlen", schrieb Agathe Demarais, Direktorin für globale Prognosen bei der "Economist Intelligence Unit", in einem Artikel für das US-Magazin "Foreign Policy". "Das liegt daran, dass Russland Statistiken zu einem zentralen Bestandteil seines Informationskrieges gemacht hat."

Aber nicht nur der Kreml veröffentlich zweifelhafte Zahlen, sondern auch der IWF. Die Schätzung von minus 2,2 Prozent, mit dem der Internationale Währungsfonds die russische Rezession bewertet hat, war nicht nur eine große Überraschung. Die Schätzung liegt zudem deutlich über den Berechnungen vieler anderer Experten.

Hat der IWF sich vom Kreml blenden lassen? Zumindest haben die Finanzexperten eine Schätzung abgegeben, ohne über nötige Daten zu verfügen: Sie hatten keine Außenhandelszahlen, keine Daten über die Öl- und Gasproduktion. Sie kannten die Höhe von Direktinvestitionen aus dem Ausland in Russland nicht und auch nicht die Höhe von Kapitalzu- und -abflüssen. Putin weigert sich, diese Daten offenzulegen.

Zu viel Geld fließt in den Krieg

Die russische Führung nutzte die für sie gute IWF-Prognose, reagierte zunächst zwei Wochen nicht, sodass viele internationale Beobachter dachten, dass es sich um die richtige Zahl handeln müsse. Dann veröffentliche der Kreml einen Rückgang des Bruttoinlandsprodukts (BIP) um 2,1 Prozent – ohne dass ersichtlich wurde, wie die russischen Statistiker auf diese Zahl gekommen waren.

Für das gesamte Jahr 2022 ging der IWF sogar von einem leichten Wachstum der russischen Wirtschaft von 0,3 Prozent aus und ist damit optimistischer als der Kreml, der mit einer leichten Rezession von etwas über 1 Prozent rechnet.

Dabei wird schon im ersten Quartal 2023 deutlich, dass für die russische Wirtschaft die Kriegslast immer schwerer wird. Die aktuellen Zahlen sind verheerend für die russische Ökonomie, die zum Großteil auf den Export von Rohstoffen angewiesen ist.

Sie sind aber auch dramatisch für die Staatskasse. Russland hatte im Jahr 2022 durch gestiegene Erträge aus dem Öl- und Gashandel zusätzliche Einnahmen im Staatshaushalt von 10 Prozent. Die Staatsausgaben stiegen durch den Krieg jedoch um 20 Prozent. Während 2022 für den Kreml noch ein Überbrückungsjahr war, könnte die Lage der öffentlichen Finanzen in diesem Jahr kritisch werden, meinen Wirtschaftsexperten.

Rohstoffpreise brechen ein

Das Problem für Putin: die sinkenden Preise für Öl und Gas. Und: die geschrumpfte Kundschaft für Rohstoffe.

Noch bis Anfang vergangenen Jahres saßen Russlands Hauptkunden in Europa und in den USA. Das ist vorbei. Der Kreml muss seine Rohstoffe nun an China oder Indien verkaufen und die nutzen die russische Notlage aus. Bedeutet: Russland muss sie zu Billigpreisen verschleudern. Dadurch sinken auch die Weltmarktpreise, zum Nachteil Moskaus. Laut dem finnischen Forschungsinstitut "Centre for Research on Energy and Clean Air" könnte der Kreml durch den Ölbann und die Preisobergrenze 160 Millionen Euro am Tag verlieren.

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Es läuft nicht gut für Putin. Öl- und Gaspreise sind unter das Niveau vor dem Krieg gefallen, auch weil die EU Preisbremsen installiert hat, die Russland momentan sehr viel mehr Schmerzen bereiten als die restlichen Sanktionen. Der Westen hat es geschafft, die Explosion der Rohstoffpreise umzukehren. Ein Tiefschlag für den kriegslüsternen Kremldespoten.

Die Steuereinnahmen aus Öl und Gas sind im Februar 2023 gegenüber dem Vorjahr um 46 Prozent auf 521 Milliarden Rubel (6,91 Milliarden US-Dollar) gefallen. Die Einnahmen aus Rohöl und Erdölprodukten – die im vergangenen Monat mehr als zwei Drittel der Energiesteuereinnahmen ausmachten – gingen laut Berechnungen des US-Senders Bloomberg um 48 Prozent auf 361 Milliarden Rubel (4,8 Milliarden US-Dollar) zurück. Das setzt Russland jetzt unter Druck.

Westliche Sanktionen wirken

Ein weiteres Problem ist die Landeswährung Rubel. Zwar schien diese bislang stabil zu bleiben, eine Hyperinflation blieb aus. Aber auf internationalen Kapitalmärkten wird die russische Währung kaum noch gehandelt und – wenn überhaupt – kann sie nur gegen chinesische Yuan eingetauscht werden. Das verzerrt den Rubel-Kurs gegenüber dem Euro und dem Dollar.

Das bedeutet: Russlands Währung ist lediglich auf dem Papier stark, international kann man mit Rubel kaum Handel treiben – ein weiteres Indiz dafür, dass es der russischen Wirtschaft schlechter geht als Putin Glauben machen will und die Sanktionen ihre Ziele erfüllen:

  • Russlands Produktionsfähigkeit schwächen.
  • Sie sollten die russische Rüstungsindustrie schädigen, sodass diese nicht mehr kriegsfähig ist.
  • Die russischen Finanzbeziehungen zum Westen sollten gekappt werden.

Diese Ziele werden wahrscheinlich erreicht. Die US-Regierung geht davon aus, dass Russland bis 2030 bis zu 20 Prozent seines BIP verlieren könnte. Die Sanktionen verlangsamen Produktion und Handel und das Umgehen der Strafmaßnahmen ist zwar über Drittstaaten möglich und für den Westen ärgerlich, aber es kostet russischen Unternehmen viel Zeit und Energie. Die Lücken zwischen dem Westen und Russland wird ökonomisch dadurch immer größer.

Das Ölgeschäft ist mittlerweile ein riesiges Verlustgeschäft für Putin, weil der Preis der Förderung die Kosten nicht mehr deckt. Denn Russland kann nicht so billig produzieren wie zum Beispiel Länder im Mittleren Osten. Schon jetzt ist die russische Wirtschaft durch Subventionen aus Putins sogenanntem Wohlstandsfonds aufgeblasen und ein maßgeblicher Teil in der Wertschöpfung des BIP kommt von der Rüstungsindustrie.

Allein China kann und will diese Lücke nicht füllen, die speziell die EU ökonomisch in Russland hinterlassen hat. Zwar hilft Peking Putin aus der Patsche, doch auch das hat seine Grenzen, allein schon durch fehlende Gas- und Ölpipelines. Im Angesicht dieser Probleme scheint eine Entwicklung wahrscheinlich: Die schlimmsten ökonomischen Folgen des Krieges kommen für Putin erst noch.

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