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GDL-Chef Claus Weselsky: Kampf gegen die Bahn geht weiter – Bahnstreik droht


GDL-Chef Claus Weselsky
Der knallharte Boss der Lokführer

Von Frederike Holewik

Aktualisiert am 09.11.2023Lesedauer: 5 Min.
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Claus Weselsky bei einer Streikkundgebung 2015 in Berlin: Der streitlustige Gewerkschaftschef schreckt nicht vor Arbeitskämpfen zurück.Vergrößern des Bildes
Claus Weselsky bei einer Streikkundgebung 2015 in Berlin: Der streitlustige Gewerkschaftschef schreckt nicht vor Arbeitskämpfen zurück. (Quelle: Christian Mang/imago-images-bilder)

Dieser Mann steht für große Emotionen: GDL-Chef Claus Weselsky führt den Arbeitskampf gegen die Deutsche Bahn. Zur Not auch über Weihnachten.

Er ist wohl der bekannteste und aktuell wohl auch der am meisten gehasste Gewerkschafter Deutschlands: Claus Weselsky. Als Chef der Lokführer-Gewerkschaft GDL droht er mit Bahnstreiks zur Weihnachtszeit – und ist dabei nie um einen markigen Spruch verlegen.

"Die Zeichen scheinen auf Sturm zu stehen", sagte er am Donnerstag. Ob ein Angebot der Bahn diesen besänftigen und somit einen Streik abwenden kann, ist ungewiss. Die Erfahrung vergangener Jahre aber zeigt: Weselsky ist hartnäckig und nicht leicht zufriedenzustellen.

Auch an diesem Morgen vor dem ersten Verhandlungstag mit der Deutschen Bahn zeigt er sich siegessicher: "Wenn man älter wird und mehr Erfahrung hat, wird es umso besser. Deshalb gehe ich davon aus, dass die Tarifrunde erfolgreich wird."

"Lügenbaron" und "Propagandaabteilung"

Für seine Forderungen kämpft er vor allem mit harten Worten und Spitzen in Richtung des Bahnkonzerns. Bahn-Vorstandschef Martin Seiler nannte Weselsky in der Vergangenheit einen "Lügenbaron", der "Märchen" erzähle. Und auch aktuell will er ihm keine Wünsche erfüllen. Ob gestreikt würde, hänge vom Verhandlungsverlauf ab, "nicht von seiner Wunschliste". Die Pressestelle der Deutschen Bahn scheint er aus seinem Wortschatz gestrichen zu haben, lieber nennt er sie die "Propagandaabteilung".

Wer ist der Mann, der immer wieder das Land lahmlegt? Und warum gibt er sich in der Schlacht um die Macht bei der Bahn so hart?

Weselsky stammt aus Dresden. Seinen sächsischen Dialekt hört man sofort. Tritt er vor Kameras und Mikros sind seine Reden pointiert, er spricht mit Nachdruck. Äußerlich bleibt er dabei stets derselben Kombination treu: dunkler Anzug, weißes Hemd, bunte Krawatte, dazu der graue Schnauzbart. Wenn nötig klettert er damit bei Auftritten an Streiktagen auch auf Bänke oder Steinblöcke vor Bahnhofgebäuden.

Wenig Raum für Zwischentöne

Die Fronten sind für Weselsky klar. Das war 2015 so, das war 2021 so, als Weselsky mangelnde Wertschätzung der Bahnangestellten nach den zehrenden Corona-Monaten durch die Bahn beklagte. Und das ist auch aktuell wieder der Fall.

Die GDL fordert eine Absenkung der Arbeitszeit für Schichtarbeiter von 38 auf 35 Wochenstunden bei vollem Lohnausgleich. "Ohne Arbeitszeitabsenkung wird es keine Tarifeinigung geben", betonte Weselsky bereits vorab. Die Gewerkschaft fordert darüber hinaus unter anderem 555 Euro mehr pro Monat sowie eine steuer- und abgabenfreie Inflationsausgleichsprämie bei einer Laufzeit von zwölf Monaten. Die Bahn hat die Forderungen zurückgewiesen und ein eigenes Angebot unterbreitet.

Doch Weselsky ist in dem andauernden Konflikt mit der Bahn nicht der Einzige mit harten Worten. Auch der Bahn-Vorstand schießt regelmäßig rhetorisch scharf zurück. So sagte der Vorstandsvorsitzende Richard Lutz während des Streiks 2021: Wie GDL-Chef Weselsky agiere und vor allem rede, sei "Gift" für das Zusammengehörigkeitsgefühl der Eisenbahnerfamilie. Die Wunden, die Weselsky damit schlage, würden nur schwer wieder heilen.

Martin Luther als Vorbild

An Weselsky jedoch scheint all das abzuprallen, schon seit Jahren. Man kann es Verbissenheit nennen oder Sturköpfigkeit – so sehen es wohl all jene, die von ausfallenden Zügen genervt sind oder die die ewigen Streitereien zwischen Weselskys kleineren Gewerkschaft GDL und der größeren Eisenbahn- und Verkehrsgewerkschaft (EVG) satthaben. Verdenken lässt sich das nicht. Immerhin gibt es den Streit schon länger als die EVG selbst. Denn: Weselsky war bereits bei der Vorgängervereinigung Transnet als Hardliner bekannt, der die Konflikte verschärft.

Man kann Weselsky aber auch standfest nennen, konsequent. So in etwa würde er sich wahrscheinlich selbst beschreiben. Der konfessionslose Gewerkschafter hat dafür sogar ein großes Vorbild: Martin Luther. "Wegen seines Stehvermögens, seines unnachgiebigen Eintretens für eine gute und gerechte Sache", sagte er einst.

Motorrad, Nordic Walking und Ayurveda

Gegenwind und Druck ist Weselsky auch in seiner Freizeit gewohnt. Der 62-Jährige, der Wiener Klassik hört, fährt gern Motorrad und ist leidenschaftlicher Taucher. Mit seiner Frau macht er zudem Nordic Walking. Das helfe, um den Kopf freizubekommen, sagt er selbst. Erholte er sich früher vom Stress der Tarifverhandlungen mit Zigarillos, legt er heute auch mal eine Ayurveda-Kur ein.

Weselsky kam als jüngstes von drei Kindern 1959 in Dresden zur Welt. Kurz darauf zog die Familie ins Umland nach Kreischa auf einen Bauernhof. Dort fuhr er Traktor und die Zugmaschine bei der Rübenernte.

Von 1975 bis 1977 machte er dann eine Lehre zum Lokführer. Da er sich aber weigerte, in die SED einzutreten, durfte er lange Zeit nur auf Güterbahnhöfen rangieren und erst spät Personenzüge fahren.

Nach der Wiedervereinigung begann er seine Karriere in der Gewerkschaft. Seit den 1990er-Jahren ist Weselsky Funktionär in der GDL, 2008 wurde er ihr Chef. Damit ist er aktuell der einzige Ostdeutsche, der einer gesamtdeutschen Gewerkschaft vorsteht.

Zwischen autoritärem Führungsstil und großem Zuspruch

Auch wenn Weselsky immer wieder betont, dass er lediglich den Willen der GDL-Mitglieder vertrete, gab es auch innerhalb der Gewerkschaft durchaus Kritik an seinem Führungsstil. Im April 2013 eskalierte es im GDL-Vorstand, und beide Stellvertreter Weselskys wurde ihres Amtes enthoben.

Sein Vorgänger Manfred Schell lässt auch deshalb kein gutes Haar an ihm, gründete sogar die "Initiative für Demokratie und Rechtsstaatlichkeit in der GDL" und forderte Weselskys Rücktritt, da er "die GDL schwer beschädigt" habe.

Auch an Weselskys Markenzeichen – seiner scharfen Rhetorik – gab es Kritik aus den eigenen Reihen. Vor allem eine sprachliche Entgleisung nahmen ihm die Gewerkschaftsfreunde übel. Am Aktionstag der GDL im August 2014 sagte er: "Wenn sich zwei Kranke miteinander ins Bett legen und ein Kind zeugen, da kommt von Beginn an was Behindertes raus." Für die Äußerung entschuldigte er sich später.

Dennoch genießt Weselsky bis heute zugleich großen Rückhalt in der GDL. 2012 wurde er mit 90 Prozent der Stimmer wiedergewählt, 2017 bestätigten ihn sogar 95 Prozent der Delegierten auf der Generalversammlung.

Angespannte Beziehung zu Medien

Seine öffentliche Wahrnehmung wiederum scheint ihm fast egal zu sein: Zu den Medien hat Weselsky seit jeher ein gespaltenes Verhältnis. Zum einen braucht er sie, um seine Botschaften zu platzieren. Er gibt Interviews und ist aktuell häufig in Nachrichtensendungen zu sehen.

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Doch neben teils harscher Kritik sieht er sich immer wieder auch sehr persönlichen Angriffen ausgesetzt. So wurde im Zuge des Bahnstreiks 2014 Weselskys Handynummer von "Bild" veröffentlicht. Der Gewerkschaftsboss ließ sich davon aber nicht beirren – und leitete die Nummer kurzerhand auf den damaligen Bahnvorstand Rüdiger Grube um. Als der "Spiegel" aber die Hausnummer und die ungefähre Lage des Wohnhauses der Familie Weselsky in Leipzig veröffentlichte, beantragte Weselsky Ende 2014 Polizeischutz.

Dass es im aktuellen Tarifkonflikt erneut so weit kommt, ist eher unwahrscheinlich. Dass er jedoch die Deutschen weiter nervt, die Wut der Pendler mit jedem neuen Streik noch stärker auf sich zieht –, damit muss Weselsky rechnen.

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