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Angst vor Rezession: Der Abschwung kommt – und die Politik tut nichts


Angst vor Rezession
Der Abschwung kommt – und die Politik tut nichts

MeinungEine Kolumne von Ursula Weidenfeld

16.10.2018Lesedauer: 3 Min.
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Städtische Wolkenkratzer versinken im Gewitter und steigenden Wellen: Die nächste Rezession kommt – und die Politik ist nicht vorbereitet, schreibt unsere Kolumnistin Ursula Weidenfeld.Vergrößern des Bildes
Städtische Wolkenkratzer versinken im Gewitter und steigenden Wellen: Die nächste Rezession kommt – und die Politik ist nicht vorbereitet, schreibt unsere Kolumnistin Ursula Weidenfeld. (Quelle: Roy Scott/imago-images-bilder)

Europa hängt am Tropf der EZB, China und die USA stecken im Handelskrieg: Europa müsste sich auf den Abschwung vorbereiten – doch das passiert nicht.

Die Nachricht vom Ende des Aufschwungs ist stark übertrieben. So oder ähnlich reden zur Zeit Bundeswirtschaftsminister Peter Altmaier, der Chef der Europäischen Zentralbank, Mario Draghi, oder auch der Präsident der EU-Kommission, Jean-Claude Juncker. Und damit sind wir auch schon beim Kern des Problems. Ein Abschwung wird kommen, eher früher als später. Nur: Niemand wird vorbereitet sein. Weder in diesem, noch im nächsten Jahr.

Dabei wäre die Vorbereitung auf die Rezession die Chance für die Wirtschafts- und Finanzpolitiker zu zeigen, dass Politik noch funktioniert. Es wäre die Gelegenheit, die Bürger zu überzeugen, dass es neben Migrations- und Identitätsfragen auch Wirtschafts-, Finanz- und Sozialpolitik gibt. Es könnte eine Lebensversicherung für die verunsicherten und instabilen Regierungen Europas werden.

Politische Weltkonjunktur

So politisch wie heute war die Weltkonjunktur lange nicht mehr. Notenbanken und Regierungen haben den gegenwärtigen Aufschwung inszeniert und verlängert. In den USA hat Präsident Donald Trump die Wirtschaft mit einer milliardenschweren Steuererleichterung befeuert. Dieser Effekt wird im kommenden Jahr nachlassen. Er hat einen Handelskrieg mit China angezettelt, der einigen alten US-Industrien nutzt, aber Unternehmen und Verbraucher mit höheren Preisen belastet.

In China ermöglicht die Regierung billige Kredite, weil sich das Wachstum spürbar abschwächt. Wie erfolgreich sie darin ist, wird am Freitag sichtbar, wenn die Wachstumszahlen für das dritte Quartal vorgelegt werden. Der Preis, den die Regierung zahlt, ist hoch: Schon heute gilt Chinas Wirtschaft als tendenziell überschuldet.

Europas Aufschwung dagegen hängt immer noch am Tropf der Europäischen Zentralbank: Die italienische Regierung besteht darauf, im Aufschwung mehr Schulden zu machen als erlaubt und treibt damit die Risikozinsen für die Länder des Südens wieder nach oben. Das ist Gift für die Konjunktur. Dann kommt im Frühjahr 2019 der Brexit dazu – und niemand weiß, wie stark der Austritt Großbritanniens aus der EU das Wachstum zusätzlich bremsen wird.

Großzügiger Vertrag für die Briten

In allen Punkten würde eine vorausschauende Politik jetzt handeln. Den Briten großzügig entgegenzukommen, würde den Kontinent nichts kosten, aber viel Unsicherheit und Schaden verhindern helfen. Hätten die EU-Regierungschefs in dieser Woche auch nur einen Funken Engagement für die weitere wirtschaftliche Entwicklung Europas übrig, würden sie den Briten einen sehr großzügigen Vertrag anbieten. Doch die EU interessiert sich im Augenblick nur für das Prinzip, niemanden ohne Strafe aus der Union zu entlassen.

Dasselbe gilt für die Verfassung der Eurozone. Im Gegensatz zur amerikanischen Notenbank Fed hat die Europäische Zentralbank in einer nächsten Rezession kaum noch Instrumente, die sie gegen den Abschwung einsetzen könnte. Immer noch sind die Zinsen bei Null, weiter senken kann man sie also nicht. Europa müsste sich jetzt darauf verständigen, in einem Abschwung die sogenannten automatischen Stabilisatoren voll wirken zu lassen. Das würde in der Rezession ein höheres Defizit zulassen, damit man nicht bei der Arbeitslosenversicherung oder der Rente sparen müsste.

EU ohne Energie

Nur: Die italienische Regierung möchte den Spielraum schon in vergleichsweise sonnigen Zeiten verbrauchen. Gegenüber Italien aber bringt niemand mehr die politische Energie auf, die Griechenland vor wenigen Jahren noch in das Korsett der Eurozone zurückgezwungen hat. Der deutsche Finanzminister Olaf Scholz ist zu sehr mit den Problemen der SPD beschäftigt, als dass er wie damals Wolfgang Schäuble den nötigen politischen Druck aufbauen könnte.

Es ist kein Wunder, dass die Finanzmärkte unruhiger werden. Auch wenn die Basisdaten der großen Volkswirtschaften der Welt noch solide sind, ist die Sorglosigkeit der Politiker im höchsten Maß beunruhigend. Argentinien und Pakistan müssen schon beim Internationalen Währungsfonds um Hilfe bitten, um ihre Schulden in den Griff zu bekommen, die Türkei hat sich Managementberater von McKinsey zur Kontrolle der zerrütteten Staatsfinanzen ins Haus geholt. In Europa aber tut man so, als wären das kleine und regionale Krisen. Anstatt die Rettungsboote und die Lenzpumpen bereit zu machen, begnügt man sich damit, die Liegestühle auf dem Sonnendeck neu zu arrangieren. Das ist schon auf der Titanic schief gegangen.

Ursula Weidenfeld ist Wirtschaftsjournalistin in Berlin. Ihr Buch heißt: ""

Anmerkung der Redaktion: In einer Vorgängerversion dieses Artikels stand, dass die Türkei beim IWF um Hilfe gebeten hätte. Diese Information war nicht richtig. Der Satz wurde entsprechend korrigiert.

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