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DB, Volker Wissing und die GDL: Das Machtsystem Deutsche Bahn


Bahnstreik
Weselsky muss sich im Machtsystem Bahn behaupten

Von Frederike Holewik

28.01.2024Lesedauer: 5 Min.
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GDL-Vorsitzender Claus Weselsky (Quelle: Bernd Weißbrod/dpa/dpa-bilder)

Der Bahnstreik geht zu Ende, doch die Unzufriedenheit vieler Kunden dauert an. Das liegt auch an einem schwer zu durchschauenden Unternehmen – in dem an vielen Stellen die Politik mitmischt.

Es ist bereits die vierte Runde im aktuellen Tarifstreit, ob ein Ende in Sicht ist, ist noch unklar: Die Lokführergewerkschaft GDL unter der Leitung von Claus Weselsky kämpft für eine geringere Wochenstundenzahl, die Deutsche Bahn hält dagegen.

Die Fronten schienen verhärtet, darunter leiden vor allem Pendler, Urlauber und auch die Wirtschaft. Mehr zu den wirtschaftlichen Auswirkungen des Streiks lesen Sie hier. Bundesverkehrsminister Volker Wissing (FDP) appelliert zwar eindringlich auf der Plattform X, vormals Twitter: "Immer wieder die gleichen Forderungen zu wiederholen, wird dieser enormen Verantwortung nicht gerecht. Beide Seiten müssen an den Verhandlungstisch." Genau das soll jetzt passieren, die GDL hat ihren Streik um knapp einen Tag verkürzt.

Doch obwohl die Deutsche Bahn ein Staatskonzern ist, hat der Minister keinen direkten Einfluss auf die Verhandlungen im Tarifstreit. Das Machtsystem Bahn ist komplex und hat viele Akteure – all das wirkt sich auf die derzeitige Lage aus. Ein Überblick.

Bahnvorstand ist ein Politikum

Das liegt an der besonderen Organisationsform der Bahn. In den 1990er-Jahren wurde die Bahn im Zuge der Zusammenlegung von der Deutschen Bundesbahn und der Reichsbahn der DDR ein privatwirtschaftliches Aktienunternehmen, genauer gesagt eine Holding mit fünf Aktienunternehmen. Damals wurde das Unternehmen komplett entschuldet und sollte einen Neustart bekommen.

An der Spitze des Unternehmens steht der Vorstand. Dieser setzt sich aktuell aus acht Personen, fünf Männern und drei Frauen zusammen. Vorstandsvorsitzender ist Richard Lutz.

Dieser Vorstand war zuletzt vermehrt in der Kritik, denn nur zwei von drei Zügen kamen im vergangenen Jahr pünktlich an ihr Ziel, viele Kunden sind verärgert. Dennoch wurde im Dezember bekannt, dass die Vorstände nachträglich Boni in Millionenhöhe für die Vorjahre erhalten sollen, obwohl diese Zahlungen leitungsgebunden sind. Mehr dazu lesen Sie hier. Künftig sollen die Boni niedriger ausfallen, dafür soll das Grundgehalt steigen. Kritiker sehen darin einen noch geringeren Anreiz, die Probleme des Konzerns anzugehen.

Politiker berufen sich aktuell auf die Unternehmensform als privatwirtschaftlicher Konzern und verweisen darauf, dass Tarifautonomie ein hohes Gut ist, weshalb sie sich nicht in die Streitigkeiten zwischen Deutscher Bahn und Gewerkschaft einmischen wollen. Aber sie verkennen dabei, dass die Bahn immer noch hundert Prozent dem Bund gehört und keinesfalls unabhängig ist. Immerhin entscheidet der Verkehrsminister darüber, wer den Chefposten bei der Deutschen Bahn besetzt.

Verkehrsministerium redet bei Aufsichtsrat mit

Entschieden wird über die viel kritisierten Boni und die Gehälter der Bahnvorstände vom Aufsichtsrat, wie es für Aktienunternehmen üblich ist. Dieser hat 20 Mitglieder, wobei zehn davon Arbeitnehmervertreter sind und zehn Mitglieder Anteilseignervertreter. Da die Bundesrepublik alleiniger Anteilseigner ist, heißt das auch, dass diese zehn Aufsichtsratsmitglieder vom Bund bestimmt werden. Diese Aufgabe übernimmt das Verkehrsministerium.

 
 
 
 
 
 
 

So finden sich auch mehrere aktive und frühere Politiker im Aufsichtsrat. Aufsichtsratsvorsitzender ist der frühere Staatssekretär Werner Garzer. Auch auf diese Weise hat die Politik also Möglichkeit zur Einflussnahme und Mitbestimmung. Aufseiten der Arbeitnehmer sitzt unter anderem der Chef der Eisenbahn- und Verkehrsgewerkschaft (EVG) Martin Burkert im Gremium. Das ist wiederum spannend, denn Burkert vertritt nur eine von zwei Gewerkschaften, die im Konzern vertreten sind.

Die Konkurrenten: EVG und GDL

Es ist eine Besonderheit im Bahnkonzern: Zwei Gewerkschaften buhlen um die Gunst der Mitarbeiter. Neben der derzeit streikenden Lokführergewerkschaft GDL gibt es auch noch die deutlich größere Eisenbahnergewerkschaft EVG. Die GDL meldete zuletzt etwas weniger als 40.000 Mitglieder, die EVG 180.000.

Letztere hatte erst im vergangenen Jahr nach Warnstreiks einen neuen Tarifvertrag errungen, der nach Tarifeinheitsgesetz für alle Beschäftigten gelten müsste. Denn das Gesetz sagt zwar explizit, dass nicht nur die größte Gewerkschaft verhandeln darf, aber dass in einem Betrieb nur ein Tarif gelten kann.

Doch dieses Gesetz kommt bei der Bahn nur in Teilen zum Tragen, denn die EVG ist zwar mit Blick auf den gesamten Konzern die größere Gewerkschaft, allerdings spaltet sich das Unternehmen in 302 Betriebe auf. Nach Angaben der EVG gelten in 284 davon ihre Verträge, die der GDL in 18. Da die Deutsche Bahn aber nicht abfragen darf, ob Mitarbeiter einer Gewerkschaft angehören, findet diese Zuteilung nach Angaben der Bahn aufgrund von Schätzungen statt.

Kein Wunder also, dass die Gewerkschaften jeweils versuchen, die Lage zu ihren Gunsten zu nutzen und um Mitglieder zu werben. So betont die EVG gerne ihre größere Zuständigkeit. GDL-Chef Weselsky hingegen bezeichnet die Konkurrenz-Gewerkschaft oftmals als "handzahm".

Platzeck und Ramelow sind gern gesehene Helfer

Der laufende Streik sollte der längste Arbeitskampf im Bahnkonzern werden, aber er ist bei Weitem nicht der erste. In mehreren Fällen kamen zur Beilegung des Streits zwischen Konzern und Gewerkschaften Schlichter ins Spiel.

Dabei handelt es sich um eine Option im deutschen Streikrecht, nach der beide Tarifpartner jeweils eine Person als Vermittler bestimmen können. Die Funktion des Schlichters übernahmen in der Vergangenheit zahlreiche Politiker. Darunter die beiden mittlerweile verstorbenen Unionspolitiker Kurt Biedenkopf und Heiner Geißler.

In jüngerer Vergangenheit übernahmen auch der Ministerpräsident von Thüringen, Bodo Ramelow (Linke) und der ehemalige Ministerpräsident von Brandenburg, Matthias Platzeck (SPD), mehrfach diese Aufgabe. So schlichteten sie als Duo die Tarifstreitigkeiten zwischen GDL und Bahn in den Jahren 2015 und 2017. Der Fahrgastverband Pro Bahn forderte in dieser Woche bereits, Platzeck auch dieses Mal wieder zur Hilfe zu rufen. Allerdings gibt es keine Pflicht, in ein Schlichtungsverfahren einzutreten, sondern die Konfliktparteien müssen sich darauf verständigen und das ist bislang nicht passiert.

Ramelow, der auch die vergangenen Male auf Seiten der GDL stand, hat sich unterdessen erneut für deren Positionen starkgemacht und gibt der Bahn die Schuld an der Eskalation. "Ich verstehe überhaupt nicht, was die Strategie der Bahn ist", sagte der frühere Tarifschlichter den Zeitungen des Redaktionsnetzwerks Deutschland (RND). "Es gibt kein schlichtungsfähiges Angebot." Stattdessen versuche der Bahn-Vorstand immer wieder, juristisch gegen die GDL vorzugehen. "Das Ziel ist offenbar, die GDL kaputtzumachen", sagte Ramelow. Tatsächlich sah etwa ein Angebot der Bahn vor, dass zwar die Arbeitszeit gesenkt werden soll, aber mit dem Zusatz, dass das nur umgesetzt werde, wenn es genug Personal gäbe. Weselsky lehnte dieses Angebot ab.

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Monopolkommission rät zur Zerschlagung

Probleme bei der Bahn, die auch im Tarifstreit immer wieder auf den Tisch kommen, wie hohe Verspätungsraten und unzufriedene Kunden, sind unterdessen nicht neu, die Schwierigkeiten des Großkonzerns bekannt. So riet die Monopolkommission, ein ständiges, unabhängiges Beratungsgremium der Bundesregierung, 2023 dazu, das Unternehmen zu zerschlagen und so etwa Personen- und Güterverkehr zu trennen. Anders als das Bundeskartellamt oder die Bundesnetzagentur kann die Kommission nicht selbst handeln, sondern lediglich ihre Einschätzung an die Politik geben.

"Es wird höchste Eisenbahn für ambitionierte Reformen", sagte Jürgen Kühling, Vorsitzender der fünfköpfigen Kommission im vergangenen Jahr. Kühling ist Juraprofessor an der Universität Regensburg und steht der Kommission seit 2020 vor. Die Monopolkommission forderte aber auch schon vor Jahren mehr Wettbewerb auf der Schiene. Das soll dazu motivieren, Pünktlichkeit und Ausfälle in den Griff zu bekommen.

Ein weiterer Vorschlag der Kommission war die Zusammenlegung der NB Netz und der DB Station & Service, die jeweils für das Schienennetz und die Bahnhöfe zuständig sind, in eine gemeinwohl-orientierte Infrastruktursparte. Dies wurde Ende Dezember in der sogenannten InfraGo umgesetzt. Diese ist allerdings eine hundertprozentige Bahn-Tochter. Von einer tatsächlichen Aufspaltung des Konzerns ist also weiterhin nichts zu sehen.

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