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Tourismus-Gigant FTI: "Rein geschäftlich ist die Pandemie bei uns vorbei"


Tourismus-Gigant FTI
"Rein geschäftlich ist die Pandemie bei uns vorbei"

InterviewVon Frederike Holewik, Mauritius Kloft

Aktualisiert am 26.05.2022Lesedauer: 7 Min.
Interview
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"Wir spüren die Konsequenzen des Kriegs in der Türkei oder in Ägypten", so der Vorstandschef der FTI-Gruppe, Ralph Schiller.Vergrößern des Bildes
"Wir spüren die Konsequenzen des Kriegs in der Türkei oder in Ägypten", so der Vorstandschef der FTI-Gruppe, Ralph Schiller. (Quelle: Klaus D. Wolf/T-Online-bilder)

Ralph Schiller hat den Vorstandsvorsitz bei der FTI-Gruppe mitten in der Corona-Pandemie übernommen. Nun muss er mit den Folgen des Ukraine-Kriegs umgehen. Was sich nun bei FTI ändern könnte, erklärt er im Interview.

Kaum eine Branche hat so sehr unter der Corona-Pandemie gelitten wie der Tourismus. Eigentlich sah Anfang des Jahres alles nach Erholung aus, doch dann kam der russische Angriff auf die Ukraine – auch mit Folgen für den Tourismus.

Im Interview mit t-online erklärt der Chef der FTI-Gruppe, Ralph Schiller, was sich bei einem der größten Reiseanbieter Europas durch den Krieg ändert. Und wo die Deutschen womöglich noch auf ein Schnäppchen hoffen können.

t-online: Herr Schiller, nach Putins Überfall auf die Ukraine haben Sie sich aus dem Russland-Geschäft zurückgezogen. Wie stark belastet das die FTI-Gruppe?

Ralph Schiller: Russland selbst spielt in unserem Portfolio keine Rolle. Abgesehen von wenigen Angeboten im Städtereisen-Bereich, die wir aktuell vor allem aus operativen – und Sicherheitsgründen aussetzen. Aus Veranstaltersicht hat Russland als Zielmarkt daher keine größere Bedeutung für uns. Allerdings spüren wir die Konsequenzen des Kriegs in anderen Ländern, vor allem in der Türkei oder in Ägypten, wo Russland jetzt als Quellmarkt fehlt.

Das müssen Sie erläutern.

Wir betreiben in der Türkei und in Ägypten eigene Hotels, die vor Kriegsbeginn beliebte Ziele sowohl für russische als auch ukrainische Gäste waren. Der Markt ist sehr relevant: Allein in der Türkei kommen jährlich etwa 8,5 Millionen Gäste aus Russland und der Ukraine. Dieses Jahr rechnet die Türkei lediglich mit bis zu 3 Millionen Russen.

Sind die Türkei und Ägypten dadurch für andere Gäste günstiger?

Es sind zumindest deutlich mehr Kapazitäten verfügbar, als wir ursprünglich erwartet hatten. Vor dem Krieg hatten wir eher die Sorge, dass wir der Nachfrage nicht gerecht werden können. Dieses Mehr an Kapazitäten wird sich auch auf die Preise auswirken.

Also können die Deutschen da auf ein Schnäppchen hoffen?

Schnäppchen würde ich nicht sagen, aber etwas günstiger als gedacht dürfte es schon sein.

Ralph Schiller ist seit Januar 2021 Vorstandschef der FTI-Gruppe. Davor war er bereits Co-Geschäftsführer neben dem FTI-Gründer Dietmar Gunz. Schiller ist gelernter Reiseverkehrskaufmann, arbeitete bei mehreren Touristikunternehmen in führenden Positionen. So verantwortete er zwischenzeitlich Marketing und Vertrieb der Rewe Touristik GmbH. Seit 2011 ist er bei FTI.

Werden Sie denn in Zukunft wieder Reisen nach Russland anbieten?

Wir als Reiseveranstalter machen zwar keine Politik, aber in gewisser Weise stehen wir für Völkerverständigung und die friedliche Begegnung von verschiedenen Menschen. Und da sind wir unabhängig von Reisen nach Russland in einer schwierigen Situation: Nach langer Zeit könnte es nun zu Konflikten führen, wenn zwei Nationalitäten in einem Hotel aufeinandertreffen.

Sie meinen Ukrainer und Russen?

Ja. Wenn der Krieg vorbei ist, werden Konflikte zwischen ukrainischen und russischen Urlaubern unsere Herausforderung sein. Wir werden beobachten, wie sich die Lage entwickelt und dann nach Sicherheitsgesichtspunkten handeln. Wenn wir nicht sicherstellen können, dass unsere Gäste in einem Zielland willkommen oder sicher sind, dann können wir die Reisen auch nicht anbieten. Damit müssen wir uns auseinandersetzen und Konsequenzen ziehen. Etwa wie wir Hotelzimmer vergeben und welche Reiseländer wir welchen Kunden anbieten.

Haben Sie schon einen konkreten Plan, wie Sie damit umgehen wollen?

Es gibt noch kein fertiges Konzept. Aber wir denken zumindest bereits darüber nach, welche Lösungswege gangbar sind, damit sich absehbare Konflikte unter den Urlaubern vermeiden lassen.

Der Krieg in der Ukraine hat auch Auswirkungen hierzulande. Nicht nur die Preise für Benzin explodieren, sondern auch die für Kerosin. Wie viel teurer wird der Griechenland-Urlaub dieses Jahr?

Der Flug hat einen Anteil von etwa 30 Prozent am Reisepreis. Auf den Flugpreis wiederum haben nicht nur die Kerosinkosten selbst einen Einfluss, sondern auch der starke Dollarkurs, da Kerosin in Dollar gehandelt wird. Aktuell sehen wir Preissteigerungen beim Kerosin von etwa 30 Prozent, das verteuert eine Reise dann im Schnitt um 10 Prozent.

Akzeptieren die Kunden das?

Ja. Insgesamt stellen wir fest, dass die Kunden deutlich teurer buchen als in der Vergangenheit, das liegt aber nicht alles an Preiserhöhungen. Die Kunden buchen längere Aufenthalte und auch höhere Hotelkategorien.

Sind das Aufholeffekte aus der Corona-Zeit?

Teurere Urlaube zu buchen, ist definitiv ein Aufholeffekt. Seit bekannt ist, dass die Omikron-Variante deutlich weniger gefährlich ist als die Delta-Variante, ist der Knoten geplatzt. Nach Ausbruch des Ukraine-Kriegs waren die Menschen zwar einige Tage verunsichert und haben weniger gebucht. Doch das hat sich mittlerweile wieder normalisiert.

Die FTI-Gruppe, Eigenschreibweise FTI Group, ist einer der größten Reiseveranstalter Europas. Das Unternehmen wurde 1983 von Dietmar Gunz gegründet. Die Gruppe beschäftigt heute mehr als 11.000 Mitarbeiter weltweit und begrüßte zuletzt rund sechs Millionen Gäste im Jahr. Zur FTI-Gruppe gehören etwa die Marken 5vorFlug, BigXtra oder Sonnenklar.tv. In der Corona-Pandemie musste das Unternehmen Staatshilfen in Millionenhöhe in Anspruch nehmen, in dem Zusammenhang zog sich Gunz aus dem operativen Geschäft zurück. Die Mehrheit der Anteile übernahm der ägyptische Investor Samih Sawiris.

Tatsächlich war die Corona-Krise für den Tourismus ein harter Schlag, auch die FTI-Gruppe litt darunter. So haben Sie das Portal fly.de sowie den Sprachreisenanbieter LAL eingestellt. Wie schmerzhaft war das für Sie?

Die Corona-Krise war ein tiefer Einschnitt für die Branche und auch für unser Unternehmen. Wir sind in den Jahren zuvor sehr stark gewachsen. 2020 haben wir uns dann überlegt, welche Bereiche nicht ausreichend profitabel waren, und uns davon getrennt. Gleichzeitig haben wir auch versucht, uns weiterzuentwickeln und etwa unsere gedruckten Kataloge abgeschafft und durch digitale ersetzt. Wir haben versucht, die Krise positiv zu nutzen.

Im Frühjahr 2020 übernahm der Investor Samih Sawiris mit 75 Prozent die Mehrheit an FTI, Firmengründer Dietmar Gunz ist demnach nicht mehr Mehrheitseigentümer. Diese Kapitalerhöhung war Teil eines Hilfspakets durch Bund, Land und Hausbank. Was hat sich mit Sawiris geändert?

Bei den Staatsdarlehen, die wir in Anspruch genommen haben, musste sich auch die Gesellschafterstruktur ändern. In dem Zusammenhang entschloss sich Dietmar Gunz dazu, das Unternehmen zu verlassen. Ich wurde so zum CEO der FTI-Gruppe berufen und stellte ein neues Management auf, das aus einer Mischung von langjährigen und neuen Kollegen besteht.

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Was ist seitdem im Arbeitsalltag anders?

Da hat sich viel getan, vor allem auf der Managementebene. Wir haben die Verantwortung auf mehrere Schultern verteilt und Experten für verschiedene Themen an Bord geholt, beispielsweise einen Compliance- und Transformations-Manager sowie Chefs für die Hotelsparte und die Zielgebiet-Agenturen.

Wie oft schaut FTI-Gründer Dietmar Gunz noch nach dem Rechten?

Dietmar Gunz hat keine operative Funktion mehr im Unternehmen, ist aber weiterhin Gesellschafter der FTI-Gruppe.

Ist die neue Struktur besser als die alte?

Die Struktur allein macht noch keine Zukunft, sondern das Unternehmen muss sich weiterentwickeln, das hat es auch in den vergangenen Jahren unter Dietmar Gunz getan. Jetzt aber sind wir in einer anderen Phase, in der es auch andere Schwerpunkte geben wird. Wir haben in der Corona-Krise ein Staatsdarlehen beziehen müssen, das wir in den kommenden Jahren zurückzuzahlen haben. Das heißt: Wir müssen deutlich profitabler sein als zuvor.

Wie lange wird es dauern, bis FTI wieder auf Vor-Corona-Niveau ist?

Rein geschäftlich ist die Pandemie bei uns vorbei. Wir sind seit Mitte Mai wieder auf dem Niveau von 2019, allerdings zunächst einmal nur mit Blick auf das Sommergeschäft. Seit Februar ist die Nachfrage sehr stabil. Das freut uns sehr, die Deutschen wollen reisen. Der vergangene Winter hingegen lag noch gut 30 Prozent unter den Zahlen von 2019.

Mitspielen müssen vor allem die Kunden. Immer mehr Menschen buchen ihren Urlaub online. Haben Reisebüros überhaupt noch Zukunftsaussichten?

Der Online-Anteil ist in den vergangenen Jahren deutlich gestiegen, die Zahl der Reisebüros ist zurückgegangen. Aber man sollte die Reisebüros auch nicht unterschätzen, denn sie machen weiterhin einen Anteil von mehr als 50 Prozent der Buchungen aus. Dabei gilt: Je mehr Beratungsaufwand, desto mehr Reisebüro. Die Leute wissen, dass es im Internet nicht günstiger ist, und lassen sich dann doch gerne beraten.

Welches Land ist denn dieses Jahr besonders beliebt?

Ganz vorne dabei ist Griechenland – ein Trend, der schon während der Corona-Krise eingesetzt hat. Aus mir unerklärlichen Gründen fühlten sich die Leute gerade auf Inseln besonders sicher. Entsprechend beliebt sind neben den griechischen Inseln auch die Malediven. Auch Mauritius steht hoch im Kurs. Daneben buchen die Leute die üblichen Klassiker: Das südliche Mittelmeer, vor allem die Türkei.

Wohin reisen Sie selbst im Sommer?

Alle meine Kinder sind mit der Schule fertig. Seit Jahren sind wir daher das erste Mal nicht mehr auf die Schulferien angewiesen. Das ist noch ungewohnt. Wahrscheinlich werden wir ein paar Tage auf Mallorca und in Ägypten verbringen. Unseren Familienurlaub machen wir aber lieber im Winter in den Bergen zum Skifahren.

Das klingt eher nach Individualreise, dahin geht auch insgesamt der Trend. Sind Pauschalreisen überhaupt noch angesagt?

Pauschalreise klingt muffig, deshalb sprechen wir auch von Veranstalterreisen. Diese sind heute genauso anpassbar wie Individualreisen. Wir sind heute weit weg von vollen Reisebussen, die Sie zur nächsten Bettenburg karren. Eine Pauschalreise ist vielmehr der rechtliche Rahmen für die Kunden, der sie absichert. Das Bedürfnis danach hat in den vergangenen zwei Jahren wieder deutlich zugenommen.

Wie stark beeinflusst denn Social Media das Reisen?

Sehr. Dabei geht es vor allem um bekannte Fotospots an den Urlaubsorten. Und Dubai hat durch die ganzen Influencer vor Ort besonderen Auftrieb bekommen. Diese Trends sind oftmals sehr kurzlebig. Beliebte Serien und Filme haben ebenfalls einen großen Einfluss. In Dubrovnik gab es sogar einen Übertourismus, da dort die Serie "Game of Thrones" gedreht wurde.

Kurze Städtereisen am Wochenende oder auch 400-Euro-All-Inclusive-Urlaube in der Türkei gelten als Klimakiller. Wie passt Ihr Geschäft mit Nachhaltigkeit zusammen?

Wenn wir Nachhaltigkeit nur als Klimafrage verstehen, dann passt es schwerlich zusammen. Aber als Konsequenz Urlaub aus dem Leben der Menschen zu streichen, ist weder realistisch noch wünschenswert. Stattdessen müssen Lösungen für klimafreundliches Reisen gesucht werden. Und für uns gehören auch soziale Aspekte mit dazu. Da leisten wir einen großen Beitrag zur Völkerverständigung. Darüber hinaus ist Tourismus in vielen Weltregionen sehr wichtig. Ohne diesen Wirtschaftszweig sind neue Flüchtlingsbewegungen wahrscheinlich.

Das ist aber schon eine recht weite Definition. CO2 wird dadurch nicht reduziert.

Das stimmt, ein Flug kann aktuell nicht nachhaltig sein. Es gibt aber zahlreiche Forschungsprojekte zu nachhaltigem Treibstoff und nicht-fossilen Antrieben. Momentan bieten wir die Möglichkeit, das verbrauchte CO2 zu kompensieren. Die Bereitschaft dazu ist aber leider sehr gering.

Was halten Sie dann von Fridays for Future, die genau diesen Umgang mit Ressourcen verurteilen?

Natürlich repräsentieren die Aktivisten nicht die gesamte Bevölkerung. Aber dass sie den Finger in die Wunde legen, schadet nicht. Ganz im Gegenteil. Ich sehe auch bei meinen eigenen Kindern, dass sie mit dem Thema Nachhaltigkeit ganz anders umgehen als meine Generation. Deswegen finde ich es wichtig, dass darüber gesprochen wird und dadurch auch die Industrie angeschoben wird, technologische Lösungen zu finden.

Herr Schiller, vielen Dank für das Gespräch!

Verwendete Quellen
  • Interview mit Ralph Schiller, FTI-Vorstandschef
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