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Verzicht auf russisches Gas: Was Deutschland von Osteuropa lernen kann


Was Deutschland von Osteuropa lernen kann


Aktualisiert am 04.04.2022Lesedauer: 4 Min.
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Ankunft eines LNG-Tankers in Litauen: Das Land ist auf Russlands Gaslieferungen nicht mehr angewiesen.
Ankunft eines LNG-Tankers in Litauen: Das Land ist auf Russlands Gaslieferungen nicht mehr angewiesen. (Quelle: Xinhua/imago-images-bilder)
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Während es in Deutschland keine Alternative zu russischem Gas zu geben scheint, erteilen kleinere EU-Länder Putin eine Absage hinsichtlich seiner Rubelforderung. Sie stoppen den Import – und haben sich gut vorbereitet.

Die Frage nach einem Stopp russischer Energieimporte spaltet die Europäische Union. Vor allem die Länder, deren Grenzen besonders nah an dem Konfliktgebiet liegen, setzten sich in den vergangenen Wochen immer wieder für scharfe Sanktionen gegen den für Russland so wichtigen Energiesektor ein. Nun haben sie selbst vorgelegt:

"Seit dem 1. April fließt kein russisches Erdgas mehr nach Lettland, Estland und Litauen", sagte Uldis Bariss, Chef des lettischen Erdgasspeicher-Betreibers Conexus Baltic Grid, am Samstag dem lettischen Rundfunk.

Zum 1. April hat Russland das Zahlungsverfahren für die Gasexporte per Dekret umgestellt. Sogenannte unfreundliche Staaten – also jene, die Sanktionen gegen Russland verhängt haben – müssen nun ein Konto bei der russischen Gazprombank eröffnen, welches sowohl in Euro als auch in Rubel läuft. Die russische Bank würde das Geld auf den Konten dann in Rubel umwandeln, mit denen die Rechnungen bezahlt werden (mehr dazu lesen Sie hier).

"Wenn wir es können, kann es der Rest Europas auch!"

Zugleich warnte Russland: Wer die neue Zahlungsmethode nicht akzeptiere, bekomme in Zukunft kein Gas mehr. In der deutschen Wirtschaft löste das große Angst vor einer schweren Krise aus (mehr dazu lesen Sie hier).

Positionieren sich eng an der ukrainischen Seite: Die osteuropäischen Staaten, hier vertreten durch Polens Präsident Andrzej Duda und Litauens Präsident Gitanas Nauseda, stellen sich beim Krieg in der Ukraine entschlossen gegen Russland – und fordern dies auch von ihren Partnern.
Positionieren sich eng an der ukrainischen Seite: Die osteuropäischen Staaten, hier vertreten durch Polens Präsident Andrzej Duda und Litauens Präsident Gitanas Nauseda, stellen sich beim Krieg in der Ukraine entschlossen gegen Russland – und fordern dies auch von ihren Partnern. (Quelle: Ukraine Presidency/imago-images-bilder)

Doch das Beispiel der baltischen Staaten zeigt, dass die Einschüchterungstaktik Russlands nicht bei allen europäischen Ländern anschlägt. Im Gegenteil: Die baltischen Staaten sehen sich als Vorbild für die gesamte EU und fordern ihre Partner auf, mitzuziehen. "Wenn wir es können, kann es der Rest Europas auch!", schrieb der litauische Präsident Gitanas Nauseda auf Twitter.

Deutschland, Österreich und Italien besonders abhängig

Sein Blick dürfte vor allem in Richtung bestimmter Länder in der EU gehen, etwa Deutschland, Österreich und Italien. Sie gelten als Bremser strengerer Maßnahmen gegen Putin im europäischen Bündnis. Besonders Deutschland steht dafür zunehmend in der Kritik.

"Ich bin sehr unzufrieden mit dem Verhalten der deutschen Regierung", sagte etwa Jaroslaw Kaczynski, Polens Vizeregierungschef und Chef der nationalkonservativen Partei PiS, der "Welt am Sonntag". Deutschland stemmt sich gegen ein Energieembargo – sowohl bei russischem Öl als auch bei Gas. Polen wirft der Bundesregierung daher einen "starken Hang nach Russland vor".

Tanker an einem LNG-Terminal in den Niederlanden (Symbolbild): Flüssiggas, etwa aus den USA oder Katar, ist der neue Hoffnungsträger der EU bei der Gasversorgung.
Tanker an einem LNG-Terminal in den Niederlanden (Symbolbild): Flüssiggas, etwa aus den USA oder Katar, ist der neue Hoffnungsträger der EU bei der Gasversorgung. (Quelle: Image Source/imago-images-bilder)

Wenn Deutschland schon nicht beim Gas ein Zeichen gegen Putin setzen möchte, solle das Land zumindest beim russischen Öl ein Embargo unterstützen, so Kaczynski.

Als Reaktion auf den Krieg in der Ukraine importieren Partner wie die USA schon jetzt weder Öl noch Gas aus Russland. Finnland fordert ebenfalls, die Sanktionen auch auf russische Energieimporte auszuweiten – obwohl das Land selbst große Mengen seines Gasverbrauchs aus Russland einführt.

Baltikum setzt vorerst auf Gasreserven

Auch Lettland ist auf den ersten Blick besonders abhängig vom russischen Gas: Das Land bezieht 93 Prozent seines verbrauchten Gases aus Russland, bei Deutschland sind es hingegen etwa 49 Prozent.

Das verdeutlicht: Andere EU-Partner sind trotz Abhängigkeit bereit, Putin mit schmerzhaften Maßnahmen Grenzen aufzuzeigen. Kann Deutschland das nicht ebenfalls?

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Tatsächlich ist die Lage im Baltikum etwas komplizierter. Aktuell versorgen die Länder sich aus ihren Gasreserven, die unterirdisch in Lettland lagern. Deutschland dagegen hat seine Speicher während des Sommers nicht ausreichend aufgefüllt. Derzeit sind die deutschen Speicher nur noch zu 27 Prozent gefüllt.

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Ohne russisches Gas wird der nächste Winter wohl schwer

Im Falle eines Lieferstopps würde Deutschland mit den Reserven verhindern können, dass es sofort zu schweren Einbußen in der Industrie und bei den Verbrauchern komme, versicherte Wirtschaftsminister Robert Habeck. Die erste Stufe des Gasnotfallplans hat er dennoch diese Woche ausgerufen. Und: Spätestens im nächsten Winter würde ein Gasstopp Deutschland hart treffen.

Sicher ist: Ohne russisches Gas wird es für Deutschland schwer, die Speicher wieder aufzufüllen. Deutschland hat kein eigenes LNG-Terminal, um Flüssiggas etwa aus den USA zu beziehen. Österreich hat als Binnenland gar keinen Zugang zu einem solchen Terminal, da das Flüssiggas über Tankschiffe importiert wird.

Was steckt hinter Flüssiggas?
Flüssiggas ist eine Alternative zu Gastransporten über Pipelines. Statt über Leitungen an Land wird das Gas über den Seeweg transportiert. Große Anbieter von Flüssiggas sind die USA, Katar oder Australien. Um das Gas transportfähig zu machen, wird es in sogenannten LNG-Exportterminals auf minus 161 Grad Celsius herabgekühlt. Dadurch schrumpft das Volumen auf ein Sechshundertstel verglichen mit dem gasförmigen Zustand. Gängige Tankschiffe können insgesamt 175.000 Kubikmeter verflüssigtes Erdgas transportieren. Am Ankunftshafen muss das flüssige Gas dann am Terminal wieder in seinen ursprünglichen Zustand umgewandelt werden. 175.000 Kubikmeter Flüssiggas entsprechen danach rund 105 Millionen Kubikmetern Erdgas.

Die Krise hat nun auch Deutschland dazu bewegt, eigene LNG-Terminals zu bauen. Doch deren Fertigstellung könnte laut Habeck zwischen 5 und 7 Jahren dauern. Die erhofften zwei Jahre wären für Deutschland "Lichtgeschwindigkeit", sagte er in einem Interview mit RTL.

Litauen erlangte mit LNG-Terminal Unabhängigkeit

Litauen dagegen hat frühzeitig umgestellt: Im Dezember 2014 nahm das Land im Baltikum sein erstes Flüssiggasterminal in der Stadt Klaipėda in Betrieb und hat damit die Abhängigkeit von Russland drastisch reduziert. Es kann sich mit dem alternativen Importweg komplett versorgen, wenn Russland kein Gas mehr liefert – oder Litauen die Importe eigenständig aus politischen Gründen kappt.

Unabhängigkeit (Archivbild): Unter diesem Namen stellte die damalige Präsidentin Litauen, Dalia Grybauskaite, das erste Flüssiggastankschiff Litauens vor.
Unabhängigkeit (Archivbild): Unter diesem Namen stellte die damalige Präsidentin Litauens, Dalia Grybauskaite, das erste Flüssiggastankschiff des Landes vor. (Quelle: Xinhua/imago-images-bilder)

Die Handlungsfreiheit Litauens stützt nun auch andere baltische Staaten. Lettland und Estland sind über die Jahre ebenfalls an das litauische Gasnetzwerk angeschlossen worden und haben folglich eine Alternative zum russischen Pipelinegas. Die Finnen haben die Litauer 2020 ebenfalls in ihr Gasnetzwerk integriert.

Ab Mai 2022 soll zudem eine Pipeline zwischen Polen und Litauen in Betrieb gehen. Polen betreibt darüber hinaus selbst ein eigenes LNG-Terminal an der Ostseeküste in Swinemünde – nur einen Spaziergang von den deutschen Badeorten Heringsdorf und Ahlbeck entfernt. Zeitgleich soll im Oktober 2022 die Baltic-Pipeline in Betrieb genommen werden, eine Verbindung zwischen Norwegen und Polen.

Osteuropa suchte Alternativen, Deutschland setzte auf Russland

Polen plant über die Pipeline, auch andere Staaten in Osteuropa wie die Slowakei oder Tschechien anzubinden. Die Bauarbeiten für eine Rohrleitung in die Slowakei sind bereits fast abgeschlossen, über die gemeinsame Pipeline dürfte auch Litauen von einer zusätzlichen Gasalternative profitieren und damit die weiteren baltischen Staaten. Von Russland will Polen dagegen kein Gas mehr beziehen: Die auslaufenden Verträge mit Gazprom hat das Land nicht verlängert.

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Bau der Baltic Pipe: Die Gasverbindung zwischen Norwegen, Dänemark und Polen bringt Unabhängigkeit von der russischen Gasversorgung.
Bau der Baltic Pipe: Die Gasverbindung zwischen Norwegen, Dänemark und Polen bringt Unabhängigkeit von der russischen Gasversorgung. (Quelle: Ritzau Scanpi/imago-images-bilder)

Das zeigt: Andere europäischen Staaten haben das Problem der Energieabhängigkeit von Putin in den vergangenen Jahren erkannt. Deutschland hat stattdessen in den vergangenen Jahren mit Nord Stream 2 gänzlich auf eine noch tiefere Verbindung mit Russland gesetzt und Alternativen nicht genutzt. Nun versucht die Regierung, die verlorenen Jahre aufzuholen. Bis zum Herbst möchte Deutschland auf russische Kohle verzichten, bis zum Ende des Jahres auf russisches Öl.

Doch die Abhängigkeit vom russischen Gas dürfte laut dem Wirtschaftsministerium mindestens noch bis zum Sommer 2024 dauern – wenn Deutschland schnell auf Alternativen setzen kann. Und selbst im günstigsten Szenario ist Deutschland noch auf einen geringen Anteil russischen Gases angewiesen.

Deutschland hängt damit in der EU hinterher – und stellt die Geduld seiner Partner im Ukraine-Krieg auf die Probe.

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Verwendete Quellen
  • Eigene Recherche
  • Baltic Pipe Project: Offizielle Seite
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Von Frederike Holewik
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